Antje Schrupp im Netz

Was ist Arbeit?

Vortrag bei der Tagung »Arbeit macht das Leben süß?« des Historikerinnennetzwerkes »Frauen & Geschichte Bayern« in Kochel am See, 11.4.2008, und (in etwas veränderter Form) beim »Tag für Frauen« des Frauenwerks der ev.-luth. Landeskirche Hannover, 8.9.2012.

Arbeit, so definiert es das Internetlexikon Wikipedia, ist »zielgerichtete, planmäßige und bewusste menschliche Tätigkeit, die unter Einsatz physischer, psychischer und mentaler, geistiger Fähigkeiten und Fertigkeiten erfolgt«.

Definitionen sind ja ohnehin immer problematisch, weil sie die menschliche Sprache festzulegen versuchen, aber in diesem Fall ist die Beschreibung sicher falsch, nämlich viel zu weit gefasst. Wäre nämlich jede zielgerichtete, planmäßige und bewusste menschliche Tätigkeit Arbeit, dann gehörte auch dazu die Besteigung eines Berges aus reinem Vergnügen oder die Reise nach Italien, der Besuch einer Ausstellung oder das Schreiben von Geburtstagseinladungen.

Aber halt: Das Schreiben von Geburtstagseinladungen, ist das nicht vielleicht tatsächlich Arbeit? Ist es nicht ein Teil jener »Fürsorge- und Beziehungsarbeit«, die vor allem Frauen so lange unentgeltlich gemacht haben? Und was ist mit dem Bergsteiger, der über seine Erlebnisse dann ein Buch schreibt? Kann ein und dieselbe Tätigkeit manchmal Arbeit sind und manchmal nicht?

Bei der Frage: »Was ist Arbeit?« geht es nicht um Definitionen, sondern um Bedeutungen, um den Sinn, den wir einer Sache oder Tätigkeit geben. Sie zu beantworten bedeutet also, sich in den politischen Diskrus einmischen. Gerade Feministinnen haben in der Vergangenheit zu Recht darauf hingewiesen, dass der traditionelle Arbeitsbegriff von Ökonomen, Soziologen und Politikern viel zu eng gefasst war. Dass nämlich nur die bezahlte Arbeit als solche galt, die unbezahlte Arbeit hingegen nicht unter den Begriff fiel. Sie haben also neben die »Erwerbsarbeit«, die Arbeit für Geld, andere Arbeitsformen gestellt, eben die Hausarbeit, die Erziehungsarbeit, die Reproduktionsarbeit, die Subsistenzarbeit.

Arbeit nennen wir eine Tätigkeit, wenn wir damit ausdrücken möchten, dass sie ein Teil der »Wirtschaft« ist (wobei Wirtschaft aber mehr umfasst als Arbeit). Eine Tätigkeit »Arbeit« zu nennen heißt also, ihr eine Bedeutung geben, die über das Private, Persönliche, hinausweist. Unmittelbar einleuchtend ist das, wo es bei diesen Arbeiten um einen unmittelbaren Beitrag zur Erfüllung der Lebensbedürfnisse der Menschen geht. Also im engen Sinne um Wirtschaft. Denn Wirtschaft umfasst, um noch einmal auf Wikipedia zurückzugreifen, »die Gesamtheit aller Einrichtungen, Unternehmen und Handlungen, die der planvollen Deckung des menschlichen Bedarfs dienen«. So oder so ähnlich steht es auch auf der ersten Seite jedes Wirtschaftslehrbuches. Doch ab der zweiten Seite geht es dann meist nur noch um diejenigen Teile dieser Wirtschaft, die sich bilanzieren lassen, die ins Bruttosozialprodukt einfließen, also mit Märkten und Geldflüssen zu tun haben.

Derjenige Bereich von Arbeit, der in diese Wirtschaft einfließt, ist der der bezahlten Arbeit, der Erwerbsarbeit. Und mit diesem Bereich der Arbeit hat die Frauenbewegung eine lange Geschichte – und zwar eine, die gegenwärtig zu einem Abschluss zu kommen scheint. Die vollständige und vorbehaltslose Einbeziehung aller Frauen in das Erwerbsarbeitsleben ist heute das politische Ziel, das alle anstreben, und wir haben ja in den letzten Jahren eine Reihe von Gesetzen und Bemühungen erlebt, diese Einbeziehung der Frauen sicher zu stellen. Zwar klappt es noch nicht überall ganz, aber das politische Ziel ist klar und es gibt nur wenige, die es heute noch grundsätzlich in Frage stellen.

Dies sollte uns aber nicht zu der irrigen Ansicht verleiten, die Geschichte der Frauenbewegung sei eine des Kampfes für den Zugang der Frauen zur Erwerbsarbeit. So als hätten Frauen in der Vergangenheit irgendwo am Rande oder gar außerhalb der Wirtschaft gestanden und müssten gewissermaßen nachträglich in diese integriert werden.

Vielmehr standen Frauen schon immer im Zentrum der Wirtschaft, und das gilt nicht nur, wenn wir einen erweiterten Arbeitsbegriff anwenden, sondern sogar auch im engen Sinne der Erwerbsarbeit. Frauen haben immer und zu allen Zeiten gearbeitet, um den Lebensunterhalt für sich und ihre Kinder und oft auch andere Menschen sicher zu stellen, aber auch, um Geld zu erwirtschaften.

Zum Beispiel waren in den ersten Fabriken, die in Europa entstanden sind, nämlich die Textilmanufakturen in England und später auch auf dem Kontinent, fast ausschließlich Frauen beschäftigt. Es handelte sich dabei ja um einen Verdrängungsprozess, in dem das Handwerk letztlich der Fabrikherstellung unterlag. Und in jener Zeit, am Ende des 18. und zu Beginn des 19. Jahrhunderts, waren gerade die Arbeiterfamilien auf das Einkommen der Frauen aus der Fabrikarbeit angewiesen, weil die Verdienste der Männer, die meist noch an ihrem Handwerksberuf festhielten, immer weniger ausreichten. Fabrikarbeit war anfangs Frauensache, zumindest was die Arbeiterschichten betraf. Aber Frauen fanden auch viele andere Wege, um Geld zu verdienen: Sie hüteten die Kinder der Nachbarin, wuschen die Wäsche für den alleinstehenden Untermieter, kochten Essen und verkauften es in den Pausen vor den Fabriktoren. Sie handelten mit allem Möglichen, sie stellten künstliche Blumen her oder verzierte Bänder und verkauften sie an Schneiderinnen. Wenn sie entbunden hatten, fungierten sie als Ammen für die Kinder aus wohlhabenden Familien. Für all diese Dinge verlangten und bekamen sie Geld, und trotzdem floss es nicht in die offiziellen Bilanzen ein. Ebenso wenig wie die Arbeit und der Verdienst von »informellen Haushaltsdienstleisterinnen«, wie man sie heute nennt, also schwarz arbeitenden Putzfrauen, Kindermädchen, Altenpflegerinnen.

Die Idee, dass Frauen nicht arbeiten sollten, war lediglich eine bürgerliche Idee, und das weibliche Nicht-Arbeiten war sozusagen eines der wesentlichen Kennzeichen, das die Zugehörigkeit einer Familie zum Bürgertum symbolisierte. Ein Symbol, das erst später auch die männliche Arbeiterschaft für sich reklamierte: Auch sie wollten sich diesen Luxus leisten können.

Für diejenigen bürgerlichen Frauen übrigens, die keinen »Versorger« hatten, etwa unverheiratete Frauen oder Witwen, war das ein großes Problem, sie hatten nämlich kein Geld. Aber der Weg in die Fabrik, wo Frauenarbeit zwar schlecht, aber immer noch verhältnismäßig gut bezahlt wurde, war ihnen versperrt: Das hätte nämlich ihren Abstieg ins Proletariat bedeutet. Also arbeiteten diese Frauen als Näherinnen, denn das konnten sie gewissermaßen »heimlich« und zuhause, sodass sie nach außen hin den bürgerlichen Schein wahren konnten. Eine Näherin verdiente aber viel weniger als eine Fabrikarbeiterin.

Wobei speziell das Nähen als weibliche Tätigkeit schon immer auch eine Bedeutung hat, die nicht nur wirtschaftlich. Christliche Moraltheologen haben das Nähen als eine Beschäftigung für Frauen empfohlen, die bewirken soll, dass sie nicht auf »sündige« Gedanken kommen, insbesondere Männer zu sexuellen Aktivitäten zu verführen. Arbeit in diesem Sinne kann auch den Charakter einer Disziplinierungsmaßnahme haben oder auf die Persönlichkeit einwirken sollen, unter dieser Perspektive werden heute manche »Beschäftigungsmaßnahmen« für Arbeitslose diskutiert. Nicht ihr wirtschaftlicher Wert zählt dann, sondern ihr Einfluss auf den oder die, die sie ausübt.

Der Zusammenhang zwischen Arbeit und Einkommen ist aus Sicht der Frauen schon immer sehr komplex und viel komplizierter als für Männer. Um nicht zu sagen, er hat immer nur sehr lose bestanden. Eine gute Möglichkeit, Geld zu verdienen, war zum Beispiel für Frauen schon immer die Prostitution – diese Tätigkeit bot deutlich bessere Verdienstmöglichkeiten als die Fabrikarbeit. Aber wollen wir bezahlten Sex wirklich als Arbeit bezeichnen? Wohl kaum, auch wenn sich heute der Begriff »sexuelle Dienstleistungen« weitgehend durchgesetzt hat. Dieser Markt des Verkaufens des eigenen Körpers könnte übrigens im Zuge der neuen Biotechnologien in Zukunft noch größer werden. Was ist mit denen, die Geld dafür bekommen, dass sie ihre Körper für medizinische Versuche zur Verfügung stellen? Oder mit Frauen, die für eine andere das im Reagenzglas gezeugte Kind austragen? Und was ist mit den neuen medialen Verdienstmöglichkeiten? Ist das, wofür zum Beispiel Paris Hilton Geld bekommt, Arbeit?

Sie sehen, die Verbindung zwischen Arbeit und Einkommen ist mehr als lose.

Andererseits gab es nämlich auch immer schon Arbeit, die nicht bezahlt wurde, zum Beispiel in all den Jahrhunderten der Sklaverei. Und natürlich die ganze unbezahlte Arbeit im Haushalt, bei der Kindererziehung. Sehr eingeleuchtet hat mir im Bezug auf das 19. Jahrhundert auch der Begriff »Konsumtionsarbeit«, den ich bei einer Historikerin gefunden habe, die nämlich gezeigt hat, dass der Wohlstand einer Familie nicht nur von der Höhe des Geldeinkommens und der Qualität der Reproduktionsarbeit abhing, sondern auch vom Geschick im Umgang mit dem Geld, nämlich dem Konsum: Wurde es für preisgünstige Waren von hoher Qualität ausgegeben? Oder für unsinnige Dinge verschleudert? Wie gut jemand einkaufen kann, hat einen maßgeblichen Einfluss auf den Lebensstandard – ein Hinweis, der heute vielleicht sogar noch wichtiger ist, weil unsere Gesellschaft sich, so die These vieler Soziologen, ja gar nicht mehr um die Erwerbsarbeit, sondern um den Konsum herum gruppiert. Und ebenso wie die Reproduktionsarbeit ist auch die Konsumptionsarbeit eine Domäne der Frauen.

Das heißt, es ist höchst sinnvoll, den Begriff der Arbeit deutlich weiter zu fassen, als die Erwerbsarbeit. Die Frage ist nur, wie weit wir ihn ausdehnen sollten. Ich möchte keine Definition versuchen, denn ich halte ja, wie gesagt, nicht viel von Definitionen. Aber irgendwie habe ich doch eine Vorstellung davon, was keine Arbeit ist: Das auf Parties Herumstehen irgendwelcher Sternchen, das zur Verfügung stellen des eigenen Körpers für Sex oder medizinische Experimente, auch wenn es dafür Geld gibt, das verstehe ich nicht als Arbeit. Und ich finde auch, dass der Begriff überstrapaziert wird, wenn wir ihn auf Dinge anwenden wie: Bilder malen, Geburtstagsfeste vorbereiten, mit Freunden reden oder Ähnliches.

Einen guten Ausgangspunkt, um darüber nachzudenken, wie sich Arbeit sinnvoll von anderen Weisen menschlichen Tätigseins unterscheiden lässt, ist das Denken von Hannah Arendt. Sie unterscheidet in ihrem Buch »Vita activa« – das tätige Leben also – drei Arten von Tätigwerden: Arbeiten, Herstellen und Handeln.

Arbeiten ist für sie alles, was sich unmittelbar auf den Fortbestand der Gattung bezieht, also das, was für die Befriedigung der körperlichen Bedürfnisse notwendig ist: Kochen, Putzen, Pflegen und so weiter. Arbeit ist nach Arendt dadurch gekennzeichnet, dass sie sich sofort wieder verbraucht – das Essen wird aufgegessen, der Fußboden wird wieder schmutzig – das heißt, Arbeit schafft keine Sachen, die Bestand haben, sie kommt daher auch nie zu einem Ende, sondern sie ist prinzipiell endlos. Arbeit folgt der reinen Notwendigkeit, die sich aus den körperlichen Bedürfnissen der Menschen ergibt, sie muss gemacht werden, es steckt keine Idee, kein Entwurf dahinter.

Das Herstellen ist laut Arendt die Produktion von Dingen, die Bestand haben – das Herstellen eines Tisches, eines Werkzeugs und so weiter. Beim Herstellen verwirklicht sich der Mensch gewissermaßen selbst, weil er sich vorher überlegt, wie das Ding, das er herstellt, werden soll. Durch das Herstellen baut sich der Mensch, anders als das Tier, eine eigene Welt auf, die Dinge, die er hergestellt hat, werden gebraucht und nicht, wie die Produkte der Arbeit, gleich wieder verbraucht. Unser Herstellen überdauert sozusagen das eigene Leben und gestaltet die Welt.

Die dritte Weise menschlichen Tätigseins ist laut Arendt das Handeln. Handeln ist eine Tätigkeit, die sich zwischen den Menschen abspielt, auch Sprechen ist insofern Handeln, der ganze Bereich der Politik. Handeln verweist auf die Pluralität der Menschen, auf ihre Verschiedenheit, und es schafft den öffentlichen Raum. Anders als beim Herstellen folgt das Handeln keinem Plan, keiner instrumentellen Logik, und beim Handeln habe ich auch das Ergebnis meines Tuns nicht unter Kontrolle – eben weil die anderen Menschen und ihre Freiheit involviert sind. Wenn ich einen Stuhl herstelle, und er gefällt mir nicht, oder er entspricht nicht dem Plan, den ich mir davon gemacht habe, steht es mir frei, den Stuhl wieder zu zerstören. Beim Handeln geht das nicht, denn was ich zum Beispiel öffentlich gesagt habe, das ist in der Welt, wird von den anderen aufgegriffen, hat Folgen, die ich nicht vorhersehen konnte und aber auch nicht mehr rückgängig machen kann.

Nun könnte man lange darüber streiten, ob diese Unterscheidung bzw. ihre Zuordnung zu bestimmten Tätigkeiten stimmt: Ist das Backen eines Kuchens Arbeiten oder Herstellen? Auch ein Stuhl hält ja nicht ewig, auch er verbraucht sich und wird nicht nur gebraucht. Aber das Interessante an Arendts Unterscheidung ist eigentlich nicht, jetzt einzelne Tätigkeiten dem Arbeiten, Herstellen oder Handeln zuzuordnen. Sondern diese drei Begriffe können unter Umständen auf ein und dieselbe Tätigkeit angewendet werden. Es betrifft gewissermaßen die Haltung, mit der wir an eine Tätigkeit herangehen. Ein Kind zu gebären und großzuziehen würde nach Arendt sicher in den Bereich der Arbeit fallen. Aber heute gibt es durchaus auch die Haltung, Kinder »herzustellen« – sozusagen nach Plan, mit verschiedenen Instrumenten wie der Auswahl der richtigen Schule oder bald vielleicht sogar mit Auswahl der richtigen Gene das bestmögliche Kind zu fabrizieren. Wenn ich einen Zeitungsartikel schreibe, kann ich das als Herstellen verstehen – ich produziere sozusagen einen handwerklich möglichst guten Text – oder aber als Handeln: Ich mische mich in einen öffentlichen Diskurs ein.

Hannah Arendt nun hat scharf kritisiert, dass unsere Gesellschaft dazu tendiert, alles unter den Begriff der Arbeit zu subsumieren, also alles, was wir Menschen tun, im Hinblick auf die Notwendigkeit des immer wiederkehrenden Schema F zu interpretieren. Während bis ins Mittelalter hinein die Arbeit als etwas galt, das diejenigen, die es sich leisten konnten, den Unterschichten oder gar den Sklaven überließ, weil man glaubte, nur wer frei von diesen Pflichten und Lasten ist hat die Kreativität, über das unmittelbar Notwendige hinaus zu denken, hat es sich seit dem 18. Jahrhundert umgekehrt und die Arbeit wurde idealisiert. Bis dahin eben, dass jegliches Tätigsein, sogar das eines Politikers oder einer Künstlerin oder einer Mutter oder eines Krimiautors als »Arbeit« verstanden wurde. Schon damals, also in den 1950er Jahren, schrieb Arendt: »(In) ihrem letzten Stadium verwandelt sich die Arbeitsgesellschaft in eine Gesellschaft von Jobholdern, und diese verlangt von denen, die ihr zugehören, kaum mehr als ein automatisches Funktionieren, als sei das Leben des Einzelnen bereits völlig untergetaucht in den Strom des Lebensprozesses, der die Gattung beherrscht, und als bestehe die einzige aktive, individuelle Entscheidung nur noch darin, seine Individualität aufzugeben, um desto besser und reibungsloser »funktionieren« zu können.«

Mit klarer Weitsicht hat sie die Probleme vorhergesehen, mit denen wir es heute zu tun haben. Denn gleichzeitig mit dieser Über-Idealisierung der Arbeit vollzog sich ja ein technischer Prozess, der die Arbeit im Sinne des unmittelbaren Schuftens immer seltener werden lässt. Oder, in Arendts Worten: »Was uns bevorsteht, ist die Aussicht auf einen Arbeitsgesellschaft, der die Arbeit ausgegangen ist, also die einzige Tätigkeit, auf die sie sich noch versteht. Was könnte verhängnisvoller sein?«

Genau vor dieser Situation stehen wir heute. Wenn etwa Menschen, die arbeitslos werden, nicht nur das Problem haben, nun mit wenig Geld auszukommen, sondern vor allem das, jetzt nichts Sinnvolles mehr mit sich anzufangen zu wissen. Ihnen fällt schlicht nichts ein, was sie tun können, wenn sie nichts zu Arbeiten haben – dass sie, befreit von der Arbeit, sich dem Herstellen oder gar besser noch dem Handeln zuwenden könnten, kommt ihnen gar nicht in den Sinn. Möglicherweise haben sie es verlernt, weil wir nur die Arbeit kultiviert haben, aber nicht jene anderen Formen des Tätigseins.

Eine andere Philosophin, Zeitgenossin von Arendt, die sich ebenfalls gegen das bloße Funktionieren der Menschen gewandt hat, ist Simone de Beauvoir. Sie gilt ja im Allgemeinen als eine Wegbereiterin für die Integration der Frauen in die Erwerbsarbeit, bekanntlich hatte sie – ähnlich wie Arendt – eine sehr negative Sicht von der Haus- und Fürsorgearbeit. Ihre Begründung ist ganz ähnlich: Frauen werden, indem sei auf diese Tätigkeiten beschränkt werden, davon abgehalten, ihre eigenen Projekte in der Welt zu verfolgen, die Welt zu gestalten und zu prägen. Sie müssen ständig die Bedürfnisse der anderen befriedigen, den Erwartungen anderer entsprechen. Stattdessen können die Männer, indem sie berufstätig sind, sich Ziele setzen und diese verfolgen. Erwerbsarbeit war für Beauvoir im Bereich von Arendts Herstellen oder Handeln angesiedelt, also indem Bereich, wo Menschen sich über die unmittelbare Bedürfnisbefriedigung hinaus in der Welt verwirklichen.

Heute nun hat sich der Wunsch von Beauvoir erfüllt, Frauen haben den Zugang zum Erwerbsarbeitsleben. Aber es ist die Frage, ob die Prophezeiung von Hannah Arendt nicht gewissermaßen die Hoffnung von Simone de Beauvoir zunichte gemacht hat: Auch im Bereich der Erwerbsarbeit geht es heute allzu oft nur noch ums Funktionieren, um die jeden Tag wiederkehrende Sisyphusarbeit, darum, die Erwartungen anderer zu erfüllen. Nur müssen wir jetzt eben nicht mehr die Erwartungen unserer Kinder und Ehemänner erfüllen, sondern die unserer Chefs oder des Marktgeschehens.

Sehr symptomatisch war hierfür eine Seite in der »taz« in der Sonderausgabe zum Internationalen Frauentag am 8. März. Unter der Überschrift »Chefinnen sparen Schmiergeld« ging es in dem ganzseitigen Artikel um diverse Studien, die gezeigt haben, dass Unternehmen mit gemischten Führungsteams und Frauen im Management produktiver sind, mehr Gewinne erwirtschaften und so weiter. Gerät womöglich Deutschland, so wurde bange gefragt, ins globale Hintertreffen, weil es verhältnismäßig wenig Frauen in Führungspositionen hat?

An und für sich finde ich so einen Artikel nicht schlecht, kann ja nicht schaden, das mal zu sagen. Was mich irritiert hat war nur, dass er gerade in Zusammenhang mit dem 8. März platziert wurde. Was bitte haben höhere Unternehmensgewinne mit Feminismus zu tun? Wenn wir diesen Zusammenhang herstellen, wenn wir also, wie ich es in letzter Zeit häufig höre, mit der Nützlichkeit der Frauen als Arbeitskräften für die Wirtschaft argumentieren, dann haben wir das zentrale Anliegen des Feminismus, nämlich die Beförderung weiblicher Freiheit, geradezu aufgegeben. Die neoliberale Vereinnahmung frauenemanzipatorischer Forderungen für ihre eigenen Zwecke ist heute eine große Gefahr für die weibliche Freiheit. Denn es führt dazu, dass wir die Freiheit der Frauen wieder einmal aus den Augen verlieren und uns darauf beschränken, darüber zu diskutieren, wo sich die Frauen am besten für die Allegmeinheit nützlich machen können – nur dass das heute eben nicht mehr in der Küche ist, sondern im Büro.

Auf diese Gefahr hat übrigens schon Clara Zetkin hingewiesen. In einer Rede vor einem Sozialistenkongress im Jahr 1889 sprach sie über die Chancen und Gefahren der Frauenerwerbsarbeit. Sie sagte: »Die Sozialisten müssen wissen, dass bei der gegenwärtigen wirtschaftlichen Entwicklung die Frauenarbeit eine Notwendigkeit ist; dass die natürliche Tendenz der Frauenarbeit entweder darauf hinausgeht, dass die Arbeitszeit, welche jedes Individuum der Gesellschaft widmen muss, vermindert wird oder dass die Reichtümer der Gesellschaft wachsen; dass es nicht die Frauenarbeit an sich ist, welche durch Konkurrenz mit den männlichen Arbeitskräften die Löhne herabdrückt, sondern die Ausbeutung der Frauenarbeit durch den Kapitalisten, der sich dieselbe aneignet. Ehemals hatte der Verdienst des Mannes unter gleichzeitiger produktiver Tätigkeit der Frau im Hause ausgereicht, um die Existenz der Familie zu sichern; jetzt reicht er kaum hin, um den unverheirateten Arbeiter durchzubringen. … Die in der Industrie tätige Frau, die unmöglicherweise ausschließlich in der Familie sein kann als ein bloßes wirtschaftliches Anhängsel des Mannes – sie lernte als ökonomische Kraft, die vom Mann unabhängig ist, sich selbst zu genügen. Gleichwohl kommt diese wirtschaftliche Unabhängigkeit allerdings im Augenblick nicht der Frau selbst zugute, sondern dem Kapitalisten. Die von ihrer ökonomischen Abhängigkeit dem Mann gegenüber befreite Frau ward der ökonomischen Herrschaft des Kapitalisten unterworfen; aus einer Sklavin des Mannes ward sie die des Arbeitgebers: Sie hatte nur den Herrn gewechselt.«

Einfach nur den Herrn zu wechseln, das kann es ja nicht sein. Sondern es muss im Zusammenhang mit einem feministischen Arbeitsbegriff darum gehen, das Begehren der Frauen selbst im Zentrum zu behalten. Also das, was sie selbst in ihrer Arbeit sehen, wie sie ihr Tätigsein begreifen, welche Wünsche und Vorstellungen von der Welt sie damit verbinden. Das schließt nicht aus, auf Notwendigkeiten zu reagieren.

Die feministische Philosophie hat in den letzten Jahrzehnten große Fortschritte gemacht und die Gedanken von Arendt, Beauvoir und anderen Vordenkerinnen weiterentwickelt. Das westliche, männlich geprägte Weltbild war ein dualistisches, das Freiheit und Notwendigkeit, Autonomie und Abhängigkeit, Bedürftigkeit und Eigenverantwortlich als Gegensätze behauptet hat. Diesem Denken waren auch Beauvoir und Arendt noch verbunden, und deshalb konnten sie zum Beispiel in der Sorge für körperliche Bedürfnisse keine Freiheit erkennen.

Was aber, wenn diese Gegensätze gar keine sind? Vor allem im Denken von Arendt gibt es schon wesentliche Inspirationen in diese Richtung, sie ist ja eine Philosophin der Gebürtigkeit, was ja gewissermaßen die Paradesituation der Abhängigkeit ist, und macht gerade dies zum Ausgangspunkt der menschlichen Pluralität und damit der Freiheit. Weil mit jeder Geburt etwas Neues kommt, ein neuer Anfang gemacht wird. Das heißt: Die Sorge für ein Kind zum Beispiel ist nicht nur repetitiv, sondern das, was neue Anfänge und damit Freiheit ermöglicht. Dies weiterdenkend haben feministische Philosophinnen Wege gefunden, Freiheit und Abhängigkeit zusammen zu denken. Für den Arbeitsbegriff bedeutet das: Auch in der Sorge für die alltäglichen Notwendigkeiten kann Freiheit sein, und auf der anderen Seite kann sich auch ein vermeintlich unabhängig-autonomes Herstellen oder gar Handeln letzten Endes als bloßes Funktionieren herausstellen.

Das Stichwort Gebürtigkeit verweist noch auf einen anderen Aspekt, der im Zusammenhang mit dem Nachdenken über Arbeit wichtig ist, und zwar die Arbeitsteilung. Die Frauenbewegung hat in der Vergangenheit hauptsächlich die geschlechtliche Arbeitsteilung thematisiert, also die Vorstellung, es gebe gewisse Arbeiten, die von Frauen und andere, die von Männern zu erledigen sind. Tatsächlich lässt sich in den meisten Kulturen eine solche geschlechtsspezifische Arbeitsteilung beobachten. Und die eingangs erwähnte Trennung in unbezahlte Frauenarbeit und bezahlte Männerarbeit deutet ja auch darauf hin – es hat in unserer Kultur diese Aufspaltung gegeben.

Nun gibt es prinzipiell zwei Möglichkeiten, die damit verbundenen Ungerechtigkeiten und Unsicherheiten – dass nämlich Frauen mit ihrer Arbeit weniger Geld verdienen und daher von Männern abhängig sind – zu beheben. Eine Möglichkeit ist es, die geschlechtliche Arbeitsteilung zu überwinden, also dafür zu sorgen, dass Frauen und Männer jeweils alles machen. Dies ist die Lösung, die derzeit massiv propagiert wird, zum Beispiel im Hinblick auf die Haus- und Fürsorgearbeit. Männer sollen dies zur Hälfte übernehmen. Frauen und Mädchen hingegen sollen ermutigt werden, zum Beispiel beim Girls Day, in vormals typische »Männerberufe« zu gehen, weil sie dort bessere Verdienstchancen haben. Als Integration der Frauen in das bestehende »Wirtschafts«-System ändert dies nichts an der Bewertung dieser Tätigkeiten als solche. Diese Diskussion nimmt manchmal geradezu frauenfeindlichen Charakter an, wie zum Beispiel in einem Buch, das den Titel »das dämliche Geschlecht« trägt und in dem die Autorin sagt, die Frauen seien an ihrer Benachteiligung selbst schuld, weil sie sich im Arbeitsleben eben anders verhalten als Männer: Sie wählen die falschen Berufe, sie verhandeln nicht genug über Geld und so weiter. Frauenfeindlich wird diese Diskussion aber eben auch dann, wenn mit der Nützlichkeit der Frauen diskutiert wird – nach dem Motto: Die gut qualifizierten Frauen sollen ihre Zeit nicht mit Kindererziehen und Haushalt verplempern, sondern stattdessen ihre Kräfte der globalen Wirtschaft zur Verfügung stellen.

Eine solche Engführung der Debatte auf die geschlechtsspezifische Arbeitsteilung greift meines Erachtens zu kurz. Denn was wäre eigentlich damit gewonnen, wenn die schlechten und unsicheren Arbeiten zur Hälfte von Männern gemacht würden? Zwar würde die Benachteiligung dann nicht mehr nur die Frauen treffen, aber irgendwen würde sie eben doch treffen. Und es deutet ja vieles darauf hin, dass es heute in Ländern wie Deutschland längst nicht mehr die Frauen sind, sondern vielmehr die Kinder aus sozial schwachen Familien, die bei der Verteilung von Arbeits- und Einkommensmöglichkeiten den Kürzeren ziehen. Sich hier nur auf die Geschlechtsunterschiede zu beziehen bedeutet, den sozialen Aspekt des Themas aus den Augen zu verlieren.

Die andere Möglichkeit, dem Dilemma der ungleichen Arbeitschancen zu begegnen ist, nicht auf die Arbeitsteilung als solche zu schauen, sondern auf den Zusammenhang zwischen bestimmten Arbeiten und dem damit verbundenen gesellschaftlichen Status: Wenn Menschen, egal welche Arbeit sie tun, genug Geld zum guten Leben hätten, dann wäre es weitaus weniger schlimm, wenn sich die einen für diese Arbeit, die anderen für jene entscheiden. Dann wäre vor allem auch mehr Freiheit gegeben, dass wir uns genauer überlegen, was wir arbeiten möchten und unter welchen Umständen. Oder mit anderen Worten, es käme wieder das ins Spiel, was der Kern der weiblichen Freiheit ausmacht, nämlich das Begehren der Frauen selbst, die Welt nach ihren Wünschen und Vorstellungen zu gestalten.

Auf diesen Aspekt weist Dorothee Markert in ihrem Büchlein »Nicht Mangel, sondern Fülle. Arbeiten neu denken« hin. Sie stellt ihm einen Satz der Philosophin Simone Weil voran, die geschrieben hat: »Nichts auf der Welt kann den Verlust der Freude an der Arbeit wettmachen.« Also auch kein hohes Gehalt und kein Dienstwagen.

Dorothee Markert hat fünf Kriterien für ein solches sinnvolles, Freude und Wohlbefinden stiftendes Arbeiten genannt: Erstens: Es ist wichtig, in der Arbeit das eigene Begehren zu leben oder ihm zumindest auf der Spur zu bleiben. Keine Freude an der Arbeit zu haben, ist ein gutes Zeichen dafür, dass dieses Begehren fehlt. Zweitens: Man muss der eigenen Arbeit mit Wohlbehagen nachgehen können. Es kann nicht sein, dass wir bei der Arbeit unsere Gesundheit ruinieren, dass wir ständig über unsere Grenzen gehen müssen. Wobei wichtig ist, dass es keine objektiven Kriterien dafür gibt – jede hat andere Bedürfnisse und Grenzen, die dabei berücksichtigt werden müssen. Daher helfen Gewerkschaften hier nur bedingt. Drittens: Man muss soviel Geld verdienen, dass gutes Leben möglich ist – wobei hier noch die Frage ist, wie eng dieses Geld verdienen mit der Arbeit selbst zusammenhängen muss. Viertens: Mit der Arbeit wollen wir uns eine Heimat in der Welt und unter den Menschen schaffen und Zugehörigkeit erfahren. Arbeit ist ein wichtiger Teil des Lebens, es ist die zentrale Weise, einen eigenen Ort in der Welt zu finden. Dazu gehört, dass ich das, was ich arbeite, wichtig und sinnvoll finde. Und fünftens: Bei jeder Arbeit muss Raum für selbständiges Denken und Entscheiden sein. Arbeit ist insofern auch »Selbstverwirklichung«, auch als Angestellte darf ich nicht nur ein Nümmerchen sein, eine bloßes Rädchen im Getriebe, das nur die Anweisungen anderer erfüllt.

Dorothee Markert führt diese Punkte jeweils anhand von konkreten Beispielen aus, und ich empfehle Ihnen allen, dieses Büchlein zu lesen. Und vielleicht haben Sie ja im Lauf dieser Tagung noch Gelegenheit, den ein oder anderen Punkt ausgehend von Ihren eigenen Erfahrungen zu konkretisieren.

Worauf es mir in diesem Zusammenhang ankommt ist, dass diese Punkte den Schwerpunkt auf die Beziehungen legen, die mich mit meiner Arbeit und darüber mit den anderen Menschen verbinden: Die Beziehung zu mir selbst – zu meiner eigenen Freude und meinem Wohlbefinden. Die Beziehung zu den Menschen, mit denen ich beim Arbeiten zusammenkomme – den Kolleginnen, den Chefinnen, den Kunden, den Klienten und so weiter. Und auch die Beziehung zur Welt – den Sinn des Ganzen. Jede dieser drei Ebenen ist wichtig.

Und nun bin ich nämlich auch wieder bei der Arbeitsteilung. Die Fokussierung auf die geschlechtsspezifische Arbeitsteilung, die der Frauenbewegung so lange und zu Recht ein Dorn im Auge war, hat nämlich verschleiert, dass Arbeitsteilung für sich genommen nichts Schlimmes ist. Es ist nicht ungerecht, dass wir alle unterschiedliches arbeiten, sondern notwendig. Weil unser Begehren verschieden ist. Weil das, was der einen Freude bereitet, für die andere eine Last ist. Weil die eine gerne körperlich und im Freien arbeitet, die andere aber lieber im Büro. Weil die eine gerne mit vielen Menschen Kontakt hat, während die andere lieber für sich an einem schwierigen Problem knobelt. Weil wir unterschiedliche Begabungen, Vorlieben und Belastbarkeiten haben. Weil wir Unterschiedliches können.

Bei der Frage nach der Zukunft der Arbeit von der Gleichheit auszugehen, wie es heute so oft geschieht, ist eine Sackgasse. So bin ich etwa skeptisch, wenn immer von einer gleichmäßigen Arbeitszeitreduzierung geträumt wird – nach dem Motto: vier Stunden pro Tag sind genug. Natürlich sind sie das, volkswirtschaftlich gesehen. Aber ich persönlich mache meine Arbeit so gerne, dass ich gerne mehr als vier Stunden damit zubringe. Andere sind vielleicht schon mit zwei Stunden am Tag gut bedient. Und sehr skeptisch bin ich auch, wenn wir Arbeiten gleichmäßig unter alle verteilen wollen – so wie derzeit im Hinblick auf die Haus- und Fürsorgearbeit zwischen Frauen und Männern. Mal abgesehen davon, dass momentan noch gar nichts dafür spricht, dass diese Gleichaufteilung gelingen wird – es wäre damit auch an und für sich nichts gewonnen.

Schon gar nicht, wenn wir nicht nur die sich wiederholenden körperlichen Arbeiten im Sinne der Definition Hannah Arendts im Auge haben, sondern auch die anderen Tätigkeiten des Herstellens und des Handelns, die ja angesichts der Technisierung den allergrößten Teil unserer Arbeit inzwischen ausmachen. Oder anders gesagt: Wenn wir Arbeit als Beziehungsgeschehen denken, dann sind die Arbeitenden nicht mehr einfach austauschbar. Arbeit als einen großen Kuchen zu denken, der mechanistisch verteilt werden kann nach vorgegebenen Kriterien, das setzt ein Weltbild der Fließbandarbeit oder des riesigen Spülberges voraus. Arbeit hingegen als Beziehungsgeschehen zu denken, so wie Dorothee Markert es vorschlägt, lenkt unseren Blick auf die Menschen, die individuellen Persönlichkeiten, die hier beteiligt sind. Und da kann die Lösung nicht mehr in einem mechanistischen Aufteilen liegen, sondern nur darin, ein Mehr an Freiheit zu ermöglichen, ausgehend nicht von der Gleichheit, die sich immer nur theoretisch behaupten lässt, sondern ausgehend von der real existierenden Ungleichheit. Und dann Wege zu finden, wie diese Ungleichheit nicht zu Ungerechtigkeit führt, sondern zu einer gegenseitigen Bereicherung wird.

Und damit sind wir dann nämlich auch beim eigentlichen Kern und Sinn der Arbeitsteilung. Die ursprüngliche Arbeitsteilung, die allem anderen zugrunde liegt, ist nämlich nicht die zwischen Frauen und Männern und auch nicht die zwischen Kapitalisten und Proletariat und auch nicht die zwischen Hand- und Kopfarbeitern – alles Arbeitsteilungen, die mehr Unfreiheit als Freiheit hervorgebracht haben, mehr Ungerechtigkeit als Gerechtigkeit und die Frauen- und Arbeiterbewegung daher zu Recht kritisiert haben.

Aber das heißt nicht, dass Arbeitsteilung an sich etwas Schlechtes ist, im Gegenteil, sie ist lebensnotwendig. Denn die ursprüngliche Arbeitsteilung, der alles andere zugrunde liegt, ist die zwischen Mutter und Kind. Wir alle sind als Babys zur Welt gekommen und konnten nur leben und wachsen und lernen, weil andere für uns gearbeitet haben, an erster Stelle unsere Mutter. Und ausgehend von dieser Fülle, von diesem Wissen, dass andere immer schon für uns gearbeitet haben, kann dann auch in jeder von uns der Wunsch entstehen, sich mit den eigenen Kräften und Fähigkeiten arbeitend in diese Welt einzumischen.

Wenn wir es so sehen, dann besteht nämlich kein Widerspruch mehr zwischen unserem eigenen Begehren, zwischen unserem Wohlbehagen und unseren Kräften und den Wünschen der anderen, der Kundinnen, Patienten, Chefs, für die wir arbeiten und die unsere Arbeit beurteilen und vergüten, und der Welt als Ganzen, in dem sich diese unsere Arbeit sinnvoll einfügt. Sicher ist es notwendig, über diese Unterschiede, die verschiedenen Interessen und Absichten und Vorstellungen zu verhandeln, sowohl auf individueller als auch auf betrieblicher und auf gesamtgesellschaftlicher Ebene. Diese Verhandlungen werden auch selten konfliktfrei ablaufen. Aber sie sind ein wichtiger Bestandteil des Arbeitsprozesses selbst, so wie die Pluralität der Menschen eine Vorbedingung für Politik ist und nicht ein Hindernis.

Sehr vorsichtig und skeptisch sollten wir aber werden, wenn behauptet wird, es gäbe dabei einen grundlegenden Widerspruch. Als könnte ich eben nur eines: Mich selbst oder die anderen oder die Welt als Ganze ernst und wichtig nehmen. Immer wenn hier ein grundlegender Widerspruch proklamiert wird – meistens um irgendwelche Maßnahmen durchzusetzen wie: Entweder es geht unserer Wirtschaft gut oder den Menschen, entweder wir produzieren genug oder wir schützen die Umwelt, entweder wir profitieren oder die dritte Welt, entweder ich ruiniere meine Gesundheit oder das Unternehmen geht pleite – immer dann herrscht eine symbolische Unordnung.

In solche Diskussionen gerät man schnell, wenn man sich zum Thema Arbeit äußert. Ich bemühe mich dann, mich nicht zu einer Position drängen zu lassen, sondern gehe einen Schritt zurück und überlege, wo die Debatte auf ein schiefes Gleis geraten ist und was notwendig wäre, um das alles wieder zusammenzudenken. Mögliche Wege und Ansatzpunkte dafür wären:

  • Arbeit und Einkommen getrennt denken. Die Trennung ist schon Realität, wie wir am Beispiel von Bergsteigern, Prostituierten oder Aktionären sehen können. Ein politischer Vorschlag dazu ist die Einführung einer bedingungslosen Grundeinkommens (vgl. www.gutesleben.org), das, anders als etwa die Forderung nach einem Mindestlohn, nicht mehr die symbolische Forderung aufstellt, dass »jeder von seiner Arbeit leben können« muss.

  • Wenn nicht mehr Geld den Wert der Arbeit bemisst, können wir wieder freier über Notwendigkeiten nachdenken: Welche Arbeiten müssen gemacht werden, auch wenn es sich nicht »rechnet«? Diese Frage stellt sich insbesondere im Hinblick auf Pflege, Hausarbeit, Kindererziehung usw.

  • Den Wert von Handeln und Herstellen als Formen menschlichen Tätigseins schätzen und nicht alles der Kategorie »Arbeit« zuordnen. Gutes Leben geht über die Notwendigkeiten hinaus. Im Bereich des Herstellens geht es auch um »Überflüssiges« (gute – nicht nur ausreichende – Qualität, Verzierung und Verschönerung). Im Bereich des Handelns geht es darum, zu sehen, dass zweckfreies Tätigsein im Hinblick auf den Sinn des Ganzen gefragt ist, nicht nur Streben nach Effizienz oder Antworten auf Notwendigkeiten.

  • Die globale, flexibilisierte und technisierte Welt hat neue Erfordernisse mit sich gebracht, die sich nicht im Rahmen traditioneller Wirtschaftstheorien verstehen lassen. Alte Konfliktlinien (Arbeiter – Unternehmer, Frauen – Männer, erste Welt – dritte Welt) stimmen teilweise nicht mehr und helfen uns nicht, die Realität zu verstehen.

~