Antje Schrupp im Netz

Olga Benario (1908–1942) und Elza Fernandes (1915–1936)

Olga Benario und Elza Fernandes begegneten sich 1935 in Rio de Janeiro. Olga Benario, alias Maria Prestes, war die Ehefrau von Luis Carlos Prestes, einem charismatischen Führer der brasilianischen Opposition, der nach Jahren im Exil in seine Heimat zurückgekehrt was, um mit Unterstützung der Kommunistischen Internationale (Komintern) eine Revolution anzuzetteln. Elza Fernandes, alias Elvia Colônio Cupelo oder Garota, war die Ehefrau des damaligen Generalsekretärs der Kommunistischen Partei Brasiliens, Antônio Maciel Bonfim. Portrait Olga Benario

Die Revolution endete jedoch schmählich – nach wenigen Tagen war der Aufstand niedergeschlagen und alle Beteiligten verhaftet. Während die beiden Männer jedoch während der Amnestie von 1945 wieder freikamen und bis ins Alter unbehelligt lebten, endete das Abenteuer für die beiden Frauen tödlich: Elza Fernandes wurde Ende Februar 1936 auf Befehl von Prestes selbst (und vermutlich mit Unterstützung Olgas) von Mitgliedern der Kommunistischen Bewegung als »Verräterin« ermordet, Olga Bernarius wurde 1936 vom Regime Getúlio Vargas an Nazideutschland ausgeliefert, sie starb 1942 in den Gaskammern von Bernburg.

Portrait Elza Fernandes Ein ähnliches Schicksal für diese beiden Frauen, die so vollkommen verschieden waren. Olga Benario stammte aus einer reichen jüdischen Akademikerfamilie in München. Als Jugendliche verliebt sie sich in den kommunistischen Schriftsteller Otto Braun und geht mit ihm nach Berlin, wo sie in der Kommunistischen Jugend Neukölln aktiv ist. Im April 1928 befreit Olga ihren in Moabit gefangengehaltenen Lebensgefährten und die beiden fliehen ins Exil nach Moskau. Dort wird Olga Benario eine der Führerinnen der KIM, der Kommunistischen Internationalen Jugend und erhält eine militärische und politische Ausbildung. Ende 1934 bekommt sie von der Komintern den Auftrag, Luis Carlos Prestes, der seit 1931 ebenfalls im Exil in Moskau lebte, nach Brasilien zu begleiten und für seine Sicherheit zu sorgen. Unterwegs verlieben sich die beiden und leben fortan als Paar zusammen

Elza Fernandes dagegen stammte aus einer ländlichen Bauernfamilie in Sorocaba im Bundesstaat Sao Paulo, war Analfabetin und arbeitete als Dienstmädchen. Zu Fuß hatte sie sich auf der Suche nach besseren Verdienstmöglichkeiten die 480 Kilometer bis nach Rio de Janeiro durchgeschlagen, wo sie am Strand von Copacabana den Kommunistenführer Bonfim kennenlernte und sich in ihn verliebte. Sie lebten zusammen, bis beide nach dem missglückten Aufstandsversuch verhaftet wurden.

Olga Benario war eine fanatische und linientreue Kommunistin, die sich durch keinerlei Zweifel in ihrem Eifer für die »gute Sache« beirren ließ. Elza Fernandes war eine einfache »Proletarierin«, von deren politischen Ansichten wenig bekannt ist. Während die ostdeutsche und russische Geschichtsschreibung aus Olga Benarius eine Heldin gemacht hat (in der DDR trugen sieben Straßen in verschiedenen Städten und 91 Schulen, Fabriken und Brigaden ihren Namen) hat sich mit Elza Fernandes bisher noch niemand beschäftigt. Sie existiert nur in Fußnoten und Nebenbemerkungen zum Fall Benario und Prestes.

Und selbst das verdankt sie nur dem Umstand, dass der Mord an Elza Fernandes einer der Hauptanklagepunkte in der Verhandlung gegen Prestes war. In der Tat hatte er der Hinrichtung Elzas kaltblütig zugestimmt. Während ihr Ehemann, Bonfim, bereits im Gefängnis war, hatten die noch in Freiheit befindlichen Mitglieder der KP Brasiliens ein Tribunal gegen Elza veranstaltet und waren zu dem Schluss gekommen, dass sie mit der Polizei zusammenarbeitete und eine Verräterin sei. Dennoch wandten sie sich noch einmal an Prestes, mit der Frage, wie sie nun weiter verfahren sollen. Und der antwortet: »Euer Mangel an Entschlusskraft überrascht mich schmerzlich. So kann man die Partei des Proletariats der revolutionären Klasse nicht führen … Ich habe meine Meinung darüber, was wir tun müssen, bereits formuliert. Warum sollten wir die Entscheidung in Hinsicht auf die Garota nun revidieren? Ist sie eine Verräterin oder nicht?«.

Damit – und es gibt keinen Hinweis darauf, dass Olga Benario diese Entscheidung ihres Mannes nicht teilte, ja, es spricht sogar vieles dafür, dass sie in dieser Hinsicht noch viel entschiedener war als er – war Elzas Todesurteil besiegelt. Wenige Tage später wurde die Ahnungslose hinterrücks stranguliert.

Ob sie tatsächlich eine Verräterin war, ist jedoch ungewiss. Der Verdacht, dass ihr Mann, nach seiner Verhaftung mit der Polizei zusammengearbeitet hat, ist von Carmen Ghioldi aufgebracht worden, die während ihres eigenen Verhörs Bonfim im Gespräch mit Polizisten gesehen habe. Allerdings diente dieser Verdacht auch der Rechtfertigung dafür, dass sie und ihr Mann, Rudolfo Ghioldi, ebenfalls im Verhör Einzelheiten preisgaben (mit dem Argument, durch Bonfim habe die Polizei dies ja ohnehin gewusst). Ein weiteres Argument in diesem kommunistischen Tribunal gegen Elza war, dass die Polizei sie immer wieder auf freien Fuss gesetzt habe, ist ebenfalls wenig schlagkräftig: Die brasilianische Polizei dürfte, beim Versuch, eine internationale kommunistische Verschwörung aufzudecken, wenig Interesse an einem ungebildeten Dienstmädchen gehabt haben. Beweise dafür, dass Elza wissentlich andere Mitglieder der Bewegung verraten hat, gibt es keine.

Olgas Schicksal war allerdings nicht weniger tragisch. Nach sieben Monaten Gefangenschaft in Rio de Janeiro wurde sie, im siebten Monat schwanger, als »unerwünschte Ausländerin« nach Deutschland abgeschoben. Dort bekam sie eine Tochter, Anita, die sie noch ein gutes Jahr – solange sie Milch hatte – bei sich behalten konnte. Durch großen Einsatz gelang es der Mutter und der Schwester von Prestes, Dona Leocádia und Lígia, Anita vor dem Waisenhaus zu bewahren. Olgas Tochter wuchs bei Großmutter und Tante in Mexiko auf, sie selbst kam 1938 zuerst nach Lichtenburg, dann nach Ravensbrück ins Konzentrationslager, 1942 wurde sie nach Bernburg gebracht, wo sie in der Gaskammer ermordet wurde.


Literatur: Fernando Morais: Olga, rororo 1992