Antje Schrupp im Netz

Newsletter vom 1.1.2008

1. Nicht ohne meine Homepage!

Es hat eine Weile gedauert, bis dieser neue Newsletter fertig wurde, was zum einen daran lag, dass ich im Dezember drei Wochen im Urlaub war, zum anderen daran, dass auch im November kaum neue Texte online gegangen waren, und drittens auch daran, dass ich schlicht nicht dazu gekommen bin, ihn zu schreiben. Aber ich nehme an, dass Ihr im Dezember auch so genug elektronische Post in eurem E-Mail-Fach hattet, wenn ich mir so anschaue, von wem ich alles vorweihnachtliche Online-Grüße bekommen habe. Die vielen schönen Mails von Freundinnen und Freunden sind geradezu ersoffen in einer Flut von noch viel mehr automatisch generiertem Spam mit pseudo-personalisiertem Blabla, den diverse Datenbanken vor Weihnachten verstreut haben – dies jedenfalls gehört definitiv zu den Schattenseiten des Internet. Aber es hat noch viel mehr schöne Seiten, wie ich finde. Dass mein neuer Newsletter jetzt erst zum Jahresanfang kommt, ist nämlich auch deshalb ganz passend, weil meine Homepage 2008 zehn Jahre alt wird! Für mich ein Anlass, einmal Bilanz zum Thema »Antje Schrupp im Netz« zu ziehen.

Der Artikel »Nicht ohne meine Homepage« erschien in der Zeitschrift »Publik Forum« und steht natürlich auch im Internet: antjeschrupp.de/meine-homepage

2. Vom Sinn und Unsinn historischer Frauenforschung

Früher kam die Geschichte weitgehend ohne Frauen aus. Heute, nach fast 40 Jahren historischer Frauenforschung, hat sich das sehr verändert. Das neue Bewusstsein für »Frauen in der Geschichte« enthält jedoch auch mancherlei Fallstricke im Hinblick auf die weibliche Freiheit: Denn erstens läuft der gesonderte Blick auf Frauen zuweilen Gefahr, weibliche Konformität herzustellen, und zweitens kann die Integration von Frauen in die herkömmliche Geschichtsschreibung auch dazu verführen, die traditionelle (männliche?) Vorstellung von »geschichtlicher Größe« unhinterfragt zu akzeptieren. Die Frage ist daher, wie eine weibliche Geschichtsschreibung, eine weibliche Erinnerungskultur aussehen könnte. Brauchen wir »große« Frauen, so wie die männliche Geschichtsschreibung ihre »großen Männer« feiert? Sind Frauen in der bisherigen Historie einfach nur »vergessen« oder »unsichtbar gemacht« worden, oder stellt ihre Abwesenheit aus den traditionellen Geschichtsbüchern vielleicht einen Ausgangspunkt für ein ganz neues Verständnis von Geschichte dar?

Mit diesem Thema beschäftigt sich ein Artikel, den ich für die Dezember-Ausgabe »Her Story« der Zeitschrift des Deutschen Frauenrates geschrieben habe: antjeschrupp.de/grosse-frauen-artikel

3. Veranstaltungen zum 100. Geburtstag von Simone de Beauvoir

Was beim feministischen Erinnern meiner Meinung nach vor allem wichtig ist, ist, dass wir die Frauen früherer Zeiten nicht zu »Repräsentantinnen« ihres Geschlechtes erklären. Genau dieses Schicksal erfuhr leider Simone de Beauvoir, deren 100. Geburtstag am 9. Januar gefeiert wird: Nachdem sie »Das andere Geschlecht« geschrieben hatte, war sie plötzlich die »Frauen-Frau«, nicht mehr originelle philosophische Denkerin. Während sie vorher als Mitbegründerin des Existenzialismus bekannt und geschätzt war, interessierte man sich danach mehr für ihren »unweiblichen« Lebensstil oder dafür, ob sie in die Schublade »Feminismus« passte oder nicht. Wenigstens heute, 60 Jahre später, sollten wir an Beauvoir deshalb nicht als »eine von uns« erinnern, sondern sie als eine eigenwillige und originelle Denkerin würdigen, die niemanden repräsentierte als sich selbst. Nur allzu angemessen wäre dies angesichts der von ihr mitgeprägten Philosophie, nämlich des Existenzialismus, der das autonome Subjekt und das individuelle Urteil und die Entscheidung des Menschen ins Zentrum stellt – eine Philosophie, die zwar für das Denken der sexuellen Differenz einiges beizutragen hat, die aber durchaus auch zur kritischen Auseinandersetzung herausfordert.

Vorträge und Veranstaltungen mit mir zum 100. Geburtstag von Simone de Beauvoir gibt es: - am Mittwoch, 9. Januar, in Frankfurt/Main (18 Uhr, Ev. Frauenbegegnungszentrum, Saalgasse 15) - am Donnerstag, 10. Januar, in Herford (19 Uhr, Kreishaus) - am Montag, 28. Januar, in Aalen (19 Uhr, VHS) - am Dienstag, 12. Februar, in Detmold (19 Uhr, Café Schokolade, Marktplatz, Lange Str. 41) - am Dienstag, 11. März, in Siegen (19.30 Uhr, Krönchen Center, Markt 25) - am Montag, 28. April, in Schwäbisch-Gmünd (19.30 Uhr, VHS Gmünd, Münsterplatz 15)

4. Die Frau, der Islam und der Westen

Hier noch ein Buchtipp für alle, die sich angesichts der aktuellen Debatten für das Verhältnis von Frauen, Frauenbildern und Islam interessieren. In ihrer Studie »Verschleierte Wirklichkeit. Die Frau, der Islam und der Westen« zeigen die feministischen Kulturwissenschaftlerinnen Christina von Braun und Bettina Mathes die viele Jahrhunderte alte Interpretationsgeschichte des Orient auf. In dem materialreichen Band schildern sie die historische und geografische Vielfalt des Phänomens »Islam« und zeigen, wie westliches Selbstverständnis und Projektionen das Bild des Okzidents vom Orient seit langem und bis heute prägen und wie eng schon immer das jeweilige Frauenbild mit diesen Interpretationen verknüpft war – auch da, wo man es auf den ersten Blick nicht vermuten würde.

Ich habe das Buch für die Rezensionszeitschrift »Querelles-Net« gelesen, meine Rezension findet Ihr unter www.querelles-net.de/2007-23/text23schrupp_braun.shtml

5. Weitere Rezensionen

Und hier noch ein paar Rezensionen, die in den vergangenen Wochen online gegangen sind: In ihrem Roman »Der Umbruch oder Hanna und die Freiheit« erzählt die 1894 geborene Journalistin und Psychologin Alice Rühle-Gerstel die Geschichte einer jüdischen Kommunistin, die 1935 Deutschland verlässt und in ihrer Geburtsstadt Prag zurückkehrt. Ein interessanter Roman, der über weite Strecken autobiografische Züge trägt (Aviva-Verlag, 2007):

antjeschrupp.de/rez-ruehle-gerstel-umbruch

Dass Sexualität von Seiten des Staates nicht als etwas Privates und Intimes betrachtet wird, sondern immer ein wichtiger Gegenstand von Regulierungen war und ist, ist allgemein bekannt. Doch weil das Thema immer noch mit Tabus und Schamgrenzen behaftet ist, gerät auch vieles, was soziale Bewegungen in dieser Hinsicht anstoßen, allzu schnell wieder in Vergessenheit oder wird im Rückblick »sozialkonform« vereinnahmt. Deshalb ist es sehr zu begrüßen, dass zwei neue Publikationen dazu beitragen, die historischen Quellen und Bewegungen zu dokumentieren und damit die Ideen ihrer Protagonistinnen und Protagonisten zugänglich zu halten: Die Aufsatzsammlung »Images von Gewicht. Soziale Bewegungen, Queer Theory und Kunst in den USA« von Lutz Hieber und Paula-Irene Villa (transcript, Bielefeld 2007) und eine Sammlung von Texten aus dem Umfeld des Syndikalistischen Frauenbundes, einer anarchistischen Vereinigung aus dem Deutschland der 1920er Jahre (Unrast, Münster 2007).

http://www.bzw-weiterdenken.de/artikel-7-97.htm

6. Geschenke zum neuen Jahr…

Statt Weihnachtsgeschenken gibt es in diesem Jahr von meiner Seite Neujahrsgeschenke. Und zwar verschenke ich diejenigen Bücher von mir, die durch das viele Hin- und Hertragen zu Vorträgen und Seminaren (bei denen ich meistens einen kleinen Büchertisch mache) schon etwas angeschlagen sind. Außerdem noch einige andere Bücher, die ich übrig habe. Wer Interesse hat, kann mir einfach eine kurze Mail mit dem entsprechenden Buchwunsch und der Postadresse schicken. Bitte habt Verständnis, wenn euer Buchwunsch vielleicht schon »aus« ist, weil andere schneller waren… Und hier kommt die Liste:

  • Methusalems Mütter. Chancen des demografischen Wandels –
    mein in diesem Jahr erschienenes Buch mit Infos und Positionen zu einer aktuellen Debatte, mehr unter antjeschrupp.de/methusalems-muetter, eine Rezension von Ina Praetorius steht hier: http://www.bzw-weiterdenken.de/artikel-7-76.htm

  • Das Aufsehen erregende Leben der Victoria Woodhull
    die Biografie der ersten Frau, die Präsidentin von Amerika werden wollte, ganz aktuell in diesem Jahr, in dem möglicherweise mit Hillary Clinton tatsächlich zum ersten Mal eine Frau Präsidentin wird. Mehr unter www.victoriawoodhull.de

  • Zukunft der Frauenbewegung
    ein kleines Büchlein zu der Frage, wer hier eigentlich in der Krise ist… Mehr unter antjeschrupp.de/frauenbewegung-einleitung

  • Nicht Marxistin und auch nicht Anarchistin
    eine Studie über vier feministische Sozialistinnen, die sich in der Ersten Internationale (dem ersten europaweiten Dachverband der Arbeiterbewegung, 1864-1872) engagierten: Virginie Barbet, Elisabeth Dmitrieff, André Léo und Victoria Woodhull: antjeschrupp.de/internationale

  • Carla Lonzi: Die Lust, Frau zu sein
    dieser Aufsatz einer italienischen Feministin aus Mitte der 1970er Jahre war eine frühe Kritik am Feminismus der Gleichstellungspolitik und inspirierte auch das Denken der »Italienerinnen« um den Mailänder Frauenbuchladen. Er ist auf Deutsch in der Reihe »Internationale Marxistische Diskussion« erschienen und schwer zu besorgen. Ich habe beim Aufräumen eine zweite Kopie davon gefunden, die ich abgeben kann.

  • Luisa Muraro: Die symbolische Ordnung der Mutter
    Dieser Klassiker ist dieses Jahr im Christel Göttert Verlag neu aufgelegt worden, sodass ich mein altes Exemplar nun verschenken kann (1993, Campus-Verlag). Ist nur äußerlich ein bisschen abgegriffen und auf die erste Seite hab ich mit Kuli meinen Namen geschrieben.

  • Andrea Günter: Frauen – Autorität – Pädagogik
    Was bedeutet das Denken der Geschlechterdifferenz für die pädagogische Praxis? Wie lässt sich die Idee der fruchtbaren Ungleichheit in der Begegnung von Begehren und Autorität in der Praxis leben und umsetzen? Dieser Sammelband enthält Beiträge einer Tagung, bei der sich Pädagoginnen und Frauen, die im Bildungsbereich arbeiten oder engagiert sind, mit diesen Fragen auseinandersetzten (Ulrike Helmer Verlag, 2006). Genauer Inhalt hier: antjeschrupp.de/guenter-frauen-autoritaet-paedagogik

  • Mirja Stöcker (Hg): Das F-Wort. Feminismus ist sexy
    Sind Mädchen-Gene Rosa? Jagten Steinzeitmänner Blondinen? Zwölf Autorinnen und Autoren rücken in diesem Band Klischees zum Thema Geschlechterverhältnis gerade. Von mir ist ein Beitrag über die Demografiedebatte drin (Ulrike Helmer Verlag 2007). Eine Rezension von Maria Börgermann-Kreckl steht hier: http://www.bzw-weiterdenken.de/artikel-7-85.htm