Antje Schrupp im Netz

Rivalinnen: Mütter und Kinderlose

*Dies sind Notizen für einen Vortrag, den ich im November 2008 bei Frauenstudien in München gehalten habe. Sie sind unsortiert und nicht redaktionell bearbeitet, aber vielleicht als Material brauchbar.**Vgl. auchErlaubnisse und Verbote*

Gegenüberstellung Mütter-Nichtmütter

Die Gegenüberstellung von Müttern und Nichtmüttern bzw. Kinderlosen ist eine der tiefgreifendsten, die Frauen voneinander trennt. Frauen ohne Kinder gelten als »Nicht richtige Frauen«, als vermännlicht, als unvollständig. Die Frage, soll ich ein Kind bekommen oder nicht, ist heute die vielleicht wichtigste Frage im Leben einer Frau. Das war nicht immer so, früher musste das nicht entschieden werden, sondern es »passierte« eben oder auch nicht.

Das ist noch nicht so lange her – noch mir hat vor zwei Jahrzehnten eine ältere Kollegin das so beschrieben, dass es zu ihrer Zeit ganz normal war, Kinder zu bekommen, und dass ihr die jungen Frauen (also ich) leid tun, die mit der Belastung durch Kinder alleine klarkommen müssen, weil alle Welt davon ausgeht, sie habe es sich ja selbst ausgesucht)

Mutterliebe gilt als etwas Besonderes

Dahinter steht die Vorstellung, dass Mutterliebe ein speziell-besonderes Phänomen ist. Ich beschäftige mit zZ mit dem Thema Liebe und stelle fest, dass fast alle Bücher verschiedene Formen von Liebe unterscheiden, z.B. zwischen Mutterliebe und erotischer Liebe. Das war nicht immer so: In der Antike galt mütterliche Liebe als Beispiel für die Liebe, auch unter Erwachsenen.

Die Mutterliebe als etwas dem politischen Bereich entzogenes, etwas das vorherbestimmt ist von Natur und Biologie, dagegen sind kinderlose Frauen sozusagen eine Provokation.

Patriarchaler Mutterdiskurs hatte Spaltung der Frauenbewegung zur Folge

Dieses Mutterbild war eines der größten Kritikpunkte des Feminismus, aber keine Einigkeit, wie es kritisiert werden sollte. Tragischerweise hat die patriarchale Zuweisung von Mutterbildern in der Frauenbewegung eine Co-Spaltung bewirkt zwischen denen, die diese Zuweisungen ablehnen und die, die Mütterlichkeit aufwerten wollen. Auch Gleichheit/Differenz-Thema usw.

Mutterliebe-Diskurs entstand erst in der Neuzeit

Dass Mütter irgendwie besondere Menschen sind, die sich von Männern und Nicht-Müttern unterscheiden, ist ein Phänomen der Neuzeit, die Vorstellung entstand so ungefähr im 17. Jahrhundert,. Rousseau. Auch vorher waren Frauen mit Kindern besonderen »Umständen« ausgesetzt, aber es war weniger ein ideologisches Thema. Die Sorge für Kinder hinderte Frauen in dem Maß, indem sie hinderte, das hing von den Umständen ab, Kinder wurden als natürliches Phänomen angesehen, mit dem man sich nicht genauer beschäftigen musste. Sie waren kein wesentlicher Bestandteil der symbolischen Ordnung, Kinderhaben war nicht symbolisch aufgeladen, sondern eben eine Tatsache oder auch nicht.

Vor 18. Jhd. gab es Liebe als familialen Wert nicht

Von alldem wollen wir festhalten, dass in der Zeit, die vor der Mitte des 18. Jahrhunderts liegt, die Liebe als ein familialer und sozialer Wert nicht vorkommt. (33) (Badinter 1999, S. 33)

Es ging um das Verhältnis der Geschlechter, nicht um Mutterschaft

Bei dieser Debatte ging es nicht um das Verhältnis von Mutter und Kind, sondern um das von Mann und Frau. Die Aufklärung stellte die Gesellschaft auf neue Grundlagen, Ideal der Gleichheit, dazu passte die Sorge für Kinder nicht, sie wurde aus dem Bereich des politischen ausgeschlossen in die Familie und das Private. Da das aber zu der ganzen Ideologie nicht passte, die Frauen zudem dagegen protestierten, musste man externe Begründungen finden wie die Natur.

Unterhaltsrecht für Uneheliche

Und auch dann blieb es lange ein bürgerliches Phänomen:Proletarier hatten eine andere Lebenskultur, andere Ehe- und Mutterschaftsvorstellungen, z.B. wurden in Deutschland im 19. Jhd 10 Prozent der Kinder unehelich geboren. Nur etwa in der Hälfte davon leisteten die Väter Unterhalt, d.h.»die Familien«bestanden aus Frauen und ihren Kindern. jährlichüber 170.000 Geburten unehelicher Kinder. So wird ersichtlich, dass der weitüberwiegende Anteil der Eltern unehelicher Kinder aus sozial schwächeren Bevölkerungsschichten stammte und mehr als die Hälfte der Väter ihren nicht ehelichen Kindern keinen Unterhalt leisteten. Rechtsverhältnisse zwischen der Mutter und ihrem unehelichen Kind, dem Vater und seinem unehelichen Kind sowie zwischen der Mutter und dem Vater des unehelichen Kindes Aus frauenrechtlicher Perspektive interessiert vor allem die Frage, wie die Rechte der unehelichen Mütter und deren Kinder im Bürgerlichen Gesetzbuch ausgestaltet wurden, und insbesondere, wie sich die bürgerliche Frauenbewegung in den Kodifikationsprozess eingebracht hat. Diese begriff bekanntermaßen die Entstehung des Bürgerlichen Gesetzbuches als eine große Chance, auf die Gesetze und damit auch auf die künftigen Rechte der Frauen Einfluss nehmen zu können, Insbesondere dürfte dabei das Ergebnis erstaunen, dass die bürgerliche Frauenbewegung die uneheliche Mutterschaft als solche ablehnte und die unehelichen Mütter als Personen ansah, die gegen die allgemeinen gesellschaftlichen Moralvorstellungen und Sittengesetze verstießen (Neiseke)

Hobbes: Ehe und Naturzustand

Noch Thomas Hobbes (17. Jhd) sah in der Frage der innerfamiliären Machtverteilung zwischen Frauen und Männern und der Gewalt über die Kinder eine rein pragmatische Sache, für ihn hatte das keineswegs etwas mit Natur oder natürlicher Ordnung zu tun.

Hobbes: »Das Recht der Herrschaft durch Zeugung ist das, welches die Eltern über ihre Kinder haben und wird elterlich genannt. (…) da immer zwei Menschen gleichermaßen Eltern sind, müsste die Herrschaft über das Kind gleichermaßen bei beiden liegen und das Kind gleichermaßen beiden unterworfen sein, was unmöglich ist, denn niemand kann zwei Herrn gehorchen. Und wenn einige die Herrschaft nur dem Manne als dem hervorragenden Geschlecht zugeschrieben haben, so verrechnen sie sich damit. Denn zwischen Mann und Frau besteht nicht immer ein solcher Unterschied an Stärke und Klugheit, als dass ohne Krieg entschieden werden könnte, wem das Recht zusteht. Im Staat wird dieser Streit durch das bürgerliche Gesetz entschieden, und meistens, aber nicht immer, fällt die Entscheidung zugunsten des Vaters aus, da die Staaten meistens von Familienvätern und nicht von Familienmüttern errichtet wurden… Denn im reinen Naturzustand, in dem es keine Ehegesetze gibt, kann man nicht wissen, wer der Vater ist, wenn es die Mutter nicht bekannt gibt, und deshalb hängt das Recht der Herrschaft über das Kind von ihrem Willen ab und liegt folglich bei ihr (…) Ist die Mutter dem Vater untertan, so steht das Kind in der Gewalt des Vaters, und ist der Vater der Mutter untertan, wie dann, wenn eine souveräne Königin einen ihrer Untertanen heiratet, so untersteht das Kind der Mutter, da der Vater ihr ebenfalls untertan ist.« (Hobbes, Leviathan, 156f, zit nach Neumayr, Kritik der Gefühle, 131) (Neumayr 2007, S. 131)

Trennung zwischen verheirateten und unverheirateten Frauen

Deshalb bezieht sich vieles gar nicht auf Frauen, sondern auf verheiratete Frauen. Alleinstehende Frauen hatten gesetzlich viel mehr Rechte, z.T. lange Zeit das Wahlrecht, in Frankreich besonders, weshalb dort alle mit »Mademoiselle« angeredet werden wollen, nicht mit Madame. Rechtlos wird eine Frau, wenn sie heiratet, heiratet sie nicht, ist sie keine Frau. Dies hat einen Keil zwischen verheiratete und unverheiratete Frauen getrieben, der mit dem natürlichen Wesen der Mutterschaft legitimiert wurde. Tragisch: Auch der feministische Kampf dagegen perpetuierte das, z.b. in England wurde lange diskutiert, ob »Haushaltsvorstände« (d.h. auch unverheiratete Frauen) das Wahlrecht bekommen sollten.

Bis heute: Gleichstellung der Kinderlosen Frauen /Kinder sind Privatsache. Heute: Emanzipation der Frauen: Neue Wege der Verfügungsgewalt der Väter (später ausführlich)

Herrschaft des Kindes beginnt mit Rousseau im 18. Jhd

Gerade diese Herrschaft des Kindes beginnt man aber in den aufsteigenden Schichten des 18. Jahrhunderts um die Jahre 1760-1770 geräuschvoll zu feiern. In dieser Zeit erscheint eine Flut von Werken, in denen die Eltern zu neuen Gefühlen und ganz besonders die Mutter zur Mutterliebe aufgerufen werden. … Rousseau fasst mit der Veröffentlichung des Emile im Jahre 1762 die neuen Ideen in eine klare Forum und gibt den eigentlichen Anstoß zur modernen Familie. (35) (Badinter 1999, S. 35)

Nach 1760: Mütter sollen sich um Kinder kümmern

Im letzten Drittel des 18. Jahrhunderts vollzieht sich so etwas wie eine Revolution der Einstellungen…. nach 1760 erscheint eine Unmenge von Publikationen, in denen den Müttern empfohlen wird, sich persönlich um ihre Kinder zu kümmern, und in denen ihnen »befohlen« wird, sie zu stillen. Die Frau wird darin verpflichtet, vor allem Mutter zu sein, und es entsteht ein Mythos, der auch 200 Jahre später noch immer sehr lebendig ist: der Mythos vom Mutterinstinkt oder von der spontanen Liebe einer jeden Mutter zu ihrem Kind. (Badinter 113) (Badinter 1999, S. 113)

Mutter als Hauptverantwortliche

Im 18. Jahrhundert Helferin des Arztes, im 19. Mitarbeiterin des Priesters und des Lehrers, nimmt die Mutter des 20. Jahrhunderts eine noch weitergehende, äußerst der Verantwortung auf sich – wie für das Unbewusste und die Wünsche ihres Kindes. Durch die Psychoanalyse wird die Mutter zur » Hauptverantwortlichen« für das Glück ihres Sprösslings befördert. ..//.. Entsprechend entwerfen Rousseau und Freud, durch 150 Jahre voneinander getrennt, ein merkwürdig übereinstimmendes Bild der Frau: nach ihrer Ansicht zeichnete sich die » normale« Frau vor allem durch Hingabe und Opfersinn aus. (Badinter 189f) (Badinter 1999, S. 189f)

Mutterdiskurs nur Kehrseite von Männlichkeitsdiskurs

Das mütterliche Genie sticht deshalb so sehr heraus, weil sich das Männliche so sehr spezieller anders entwickelt hat (uneigennützig versus eigennützig) Problem, das Badinter nur den einen Teil des Diskurses untersucht

Badinter untersucht nur eine Seite

Badinters Untersuchung ist gut, aber sie bezieht sich nur auf die Frauenseite, sie kritisiert die Männerseite nicht

Kindheit für Augustinus Beweis der Verdammnis

… dass die Kindheit für Augustinus der bedrückendste Beweis einer anderen Menschen geltenden Verdammnis ist, weil sich an ihr zeigt, wie die verderbte menschliche Natur dem Bösen verfällt (36) (Badinter 1999, S. 36)

Femis: Freiheit in Bezogenheit

Wenn wir heute als Feministinnen »Freiheit in Bezogenheit« thematisieren, dann auch, um diese Spaltung wieder aufzuheben.

Frauen sind zu nachsichtig mit Kindern

Die Pädagogen, fast durchweg Magister der Theologie, empfehlen den Eltern, ihren Kindern gegenüber kühle Reserviertheit zu zeigen, und weisen sie unablässig daraufhin, dass sie sich schuldig machen würden, wenn sie die natürliche Bosheit der Kinder unterstützten. … verurteilt streng die Frauen, die dazu neigten, fertig zu ihren Kindern zu sein und ihnen eine reichliche Erziehung zu geben. (38) (Antje: eine Argumentationsfigur, die auch heute wieder verbreitet ist.) .. eine Kampfschrift gegen eine mütterliche Haltung, die zu der Zeit, als dieser Text verfasst wurde, verbreitet gewesen sein muss: Verhüllung und Nachsicht. (39) (Badinter 1999, S. 39)

Descartes: Sich von der Kindheit befreien

Descartes: Man muss sich daher von der Kindheit befreien, so wie man sich vom Übel befreit. In der Tatsache, dass jeder Mensch zunächst Kind gewesen sein muss, liegt die Quelle seiner Irrtümer. … »… weil wir alle Kinder waren, ehe wir Männer wurden …, dass unsere Urteile fast unmöglich so rein und so fest seien, wie sie es gewesen sein würde, wenn wir vom Augenblick unserer Geburt an den vollen Gebrauch unserer Vernunft gehabt hätten.« (42 f.) (Badinter 1999, S. 42f)

Seit Rousseau: Band zwischen Eltern und Kind kann reißen

Mit dem neuen Mutterbild einher geht auch die Vorstellung, dass Kinder sich von der Mutter im Lauf ihres Lebens lösen und sozusagen in das »väterliche« Lager hinüberwechseln müssen. Rousseau: Im Gesellschaftsvertrag ändern sich, sobald das Kind für sich selber sorgen kann, seine Beziehungen zu den Eltern wesentlich, und sie können letztlich sogar zu bestehen aufhören, wie es der Zweite Diskurs annimmt. Auf seine Eltern nicht mehr angewiesen, ist das Kind nicht mehr zum Gehorsam verpflichtet, ja es hat nicht einmal mehr die geringste Pflicht ihnen gegenüber. (Badinter 130) (Badinter 1999, S. 130)

Wunsch der Kinderlosen, sich von Müttern abzugrenzen

Dies führte durchgehend dazu, dass »Emanzipierte« Frauen, die um ihren Platz in der Männerwelt kämpften, sich von den Müttern abgrenzten, weil diese Mütterlichkeit den Verdacht in sich trug, sie seien ihrem Job nicht gewachsen.

Beauvoir über Mutterschaft als Hemmnis der Transzendenz

«Auf alle Fälle aber sind Gebären und Stillen keine Aktivitäten, sondern natürliche Funktionen; kein Entwurf ist dabei im Spiel, und daher kann auch die Frau darin keinen Grund einer hoch bestimmten Bejahung ihrer Existenz finden; passiv unterzieht sie sich ihrem biologischen Geschick. Die häuslichen Tätigkeiten, denen sie sich widmet, da nur diese mit den Lasten der Mutterschaft sich vereinigen lassen, beschränken sie auf Wiederholung und Immanenz; Tag für Tag kehren sie in gleicher Form wieder, die fast unverändert die Jahrhunderte überdauert; es geht nichts Neues aus ihnen hervor. Der Fall des Mannes liegt völlig anders; er ernährt die Gemeinschaft nicht nach Art der Arbeiterbiene durch einen einfachen Lebensprozess, sondern durch Handlungen, die über sein tierisches Dasein hinausgehen…. // wir haben hier den Schlüssel des ganzen Geheimnisses in der Hand. Auf der Ebene der Biologie erhält sich eine Art nur dadurch, dass sie sich immer neu erschafft; aber diese Schöpfung ist nur eine Wiederholung des immergleichen Lebens unter wechselnden Formen. Erst indem der Mensch das Leben durch die Existenz übersteigt, sichert er die Reproduktion des Lebens; durch dieses sich selbst Überschreiten schafft er Werte, die die bloße Wiederholung in den Schatten stellen. … Wenn er sich als souverän setzt, so findet er das Einverständnis der Frau: Denn sie selbst ist ein Existierendes, die Transzendenz wohnt in ihr, und auch ihr Entwurf ist nicht die Wiederholung, sondern das Sich-Überschreiten auf eine andere Zukunft hin; im Innersten ihres Wesens findet sie die Bestätigung der männlichen Bestrebungen. Bei den Festen zu Ehren des Erfolgs und der Siege der Männer gesellte sie sich zu ihnen. Ihr Unglück ist, dass sie biologisch für die bloße Fortsetzung des Lebens vorbestimmt ist, während auch in ihren Augen das Leben seine Daseinsberechtigung nicht in sich selber trägt, diese aber mehr Wert hat als das Leben selbst…. diese Beziehung aber unterscheidet sich von der Beziehung durch Unterdrückung dadurch, dass die Frau auch ihrerseits die Werte anstrebt und erkennt, die in konkreter Form nur der Mann erreicht; er also eröffnet die Zukunft, zu der auch sie empor steigen will; tatsächlich haben die Frauen den männlichen Werten niemals weibliche entgegengesetzt: Männer waren es, die, von dem Wunsche erfüllt, die männlichen Vorrechte zu erhalten, die Trennung erfunden haben; eine spezifisch weibliche Domäne – Herrschaft des Lebens, der Immanenz – haben sie sich nur zu schaffen bemüht, um die Frau darin einzuschließen; jenseits der Trennung nach Geschlechtern sucht jeder Existierende seine Rechtfertigung in der Bewegung der Transzendenz: selbst die Unterwerfung der Frauen ist der Beweis dafür. Was sie heute beanspruchen, ist, wiederum mit gleichem Recht wie der Mann als Existierende anerkannt zu werden, nicht aber die Existenz dem Leben, den Menschen seiner animalischen Natur zu unterstellen. .. Weil die Menschheit sich in ihrem Sein infrage stellt, das heißt dem Leben die Berechtigung zum Leben vorzieht, hat der Mann sich der Frau gegenüber als der Herr setzen können. (de Beauvoir 1991, S. 71–73)

Mamikriege eröffneten Fronten zwischen Frauen

Die so genannten »Mamikriege« haben Fronten geschaffen zwischen denjenigen, die meinen, Mütter sollten zuhause bei ihren Kindern bleiben, und denjenigen, die das nicht meinen. In einem neueren Pamphlet verkündet Linda Hirshman (2006), Frauen mit einem PhD sollten keine Windeln wechseln müssen.(Linda R. Hirshman: Get to Work. A Manifesto for Women of the World, New York: Viking) (Folbre, S. 219)

Unterschiede Deutschland-Frankreich

Besonders scharfe Ablehnung des Mutterbildes in Frankreich (Beauvoir, Badinter), was auch vor dem Hintergrund zu verstehen ist, dass der Antifeminismus dort entstanden (Michelet, Compte, Proudhon), also die Idee, dass Frauen minderwertiger sind als Männer, während es in Deutschland eher das »verschieden aber gleichwertig«-Modell war. Daher die »deutsche Mutter« durchaus zwiespältig zu sehen. Es ist kein typisch deutsches Problem, wie oft gesagt wird (ich komme gleich noch mal darauf zurück)

Das auch ein Grund für mehr Kinderbetreuungsmöglichkeiten in Frankreich – dort käme überhaupt niemand auf die Idee, dass Männer das machen könnten, wenn die Frauen arbeiten wollen, sollen sie sehen, wo sie ihre Kinder unterbringen.

Verunmöglichung weiblicher Genealogie

Problem ist die Verunmöglichung weiblicher Genealogie: Wir wollen nciht so werden, wie unsere Mutter. Vgl. meine Definition »Was ist weiblich« beim letzten Mal: Eine Frau ist eine, die zum gleichen Geschlecht gehört wie ihre Mutter. Mit der Mutter lehnen wir unser eigenes Frausein ab. Das ist nicht Essenzialismus, sondern logisch.

Ein-Kind-Familie als Folge der Mutter-Ideologie

Interessant ist, dass die meisten Demografie-Katastrofenbücher von Leuten mit genau einem Kind geschrieben wurden: Frank Schirrmacher, Susanne Gaschke, Eva Herman. Wenn Mutterschaft etwas ist, was das Wesen der Frau vollständig macht und nicht eine menschlich-weltliche Tätigkeit wie andere auch, dann genügt es, genau ein Kind zu haben. Dies trifft sich heute mit dem »Eventcharakter« der Lebensplanung, man muss alles im Leben einmal ausprobiert haben und darf nichts vepassen.

Der Statistik ist es egal, ob ein Kind das erste, zweite, dritte, vierte oder fünfte Kind ist. Kinderlose Frauen gab es immer, durch die ganze Menschheitsgeschichte hindurch. Was heute neu ist, soziologisch gesehen, das ist die Ein-Kind-Familie, denn diejenigen Frauen, die Kinder hatten, hatte früher sehr viele Kinder. Die Gegenüberstellung Mütter-Kinderlose ist deshalb heute noch sinnloser als früher. Statistisch gesehen ist eine Frau mit einem Kind von einer mit drei Kindern weiter entfernt als die Kinderlose von der Frau mit einem Kind.

Soziologisch gesehen ähnelt der Lebensstil einer Ein-Kind-Familie heute den Kinderlosen. Der Lebensstil muss für ein Kind nur wenig verändert werden. Die großen Umbrüche in der Lebensplanung kommen mit dem zweiten oder gar dritten Kind: Zwei oder drei Kinder lassen sich nicht so einfach mit zum Termin nehmen oder bei der Oma umbringen, dann muss das ganze Leben umgekrempelt werden.

Aktueller Vater-Diskurs

Heute ist das Mutterbild im Umbruch, es besteht die Tendenz, Mutterschaft und Vaterschaft gleichzusetzen, nicht nur gesetzlich und sprachlich. Ich vermute, dass dies weibliche Autoritität verhindert, dass es eine symbolische Stärkung des Patriarchats bedeuten könne (im Wortsinn: Stärkung der väterlichen Ordnung, z.B. Kampf für Väterrechte). Herausforderung für den Feminismus.

Neue Grundlage des Patriarchats

Die Ehe bindet die Kinder an den Vater – juristisch und sozial – solange die Frau dem Mann in der Ehe untergeordnet ist. Heute ist sie das, der Emanzipation sei Dank, nicht mehr. Man sucht also nach neuen Wegen, die väterliche Verfügungsmacht über die Kinder zu stärken. Früher wurde, um die weibliche Unterordnung unter den Mann zu rechtfertigen, auf die andere Biologie/Wesen der Frauen rekurriert . Heute, da die Frauen das abgelehnt haben, wird jede Differenz in der Biologie, selbst die offensichtlichste wie die der Schwangerschaft und des Gebärens, heruntergespielt, um Vätern den gleichen »Zugriff« zu ermöglichen. Da sich das mit der früheren feministischen Argumentation trifft, wird diese einbezogen, um die Unterordnung des Weiblichen unter das Männliche zu verfestigen. Damals wie heute nicht gefragt sind die Wünsche und Vorstellungen der Frauen selbst.

Biologische und soziale Vaterschaft

Problem, das, wie wir gesehen haben, schon Hobbes anspricht.

In den romanischen Ländern stand schon immer die soziale Vaterschaft gegenüber der biologischen Vaterschaft im Vordergrund. Nach der Geburt des Kindes muss die Elternschaft formal anerkannt werden, von Vater und Mutter. Elternschaft ist also nicht nur eine biologische, sondern eine soziale Angelegenheit. Auch eine Frau ist (theoretisch) nicht verpflichtet, sich um das Kind, das sie geboren hat, zu kümmern.

Am Anfang des 19. Jahrhunderts eingeführten Code Civil in Frankreich hieß es lapidar »Nachforschungen über die Vaterschaft sind verboten«. Das Gesetz hatte vor allem den Zweck, Väter, die eine Vaterschaft nicht anerkennen wollten, vor den Ansprüchen unverheirateter Mütter und deren Kindern zu schützen. Andererseits gab es auch keine Möglichkeit für Väter, die Vaterschaft von ehelichen Kindern abzustreiten: Wenn Ehemänner das Sexualleben ihrer Frauen nicht im Griff haben, so die dahinter stehende Auffassung, sind sie eben selbst Schuld und müssen mit den »Kuckuckskindern« leben. Private Vaterschaftstests sind in Frankreich verboten, darauf steht Gefängnis oder hohe Geldstrafe.

In Deutschland dagegen ist Vaterschaft biologisch wichtig (Rasse). Historisch waren Frauen innerhalb der Ehe freier, als in romanischen Ländern. Die Einführung von erb- und rassekundlichen Untersuchungen in die Vaterschaftsfeststellung wurde in Deutschland 1943 von den Nationalsozialisten eingeführt. Frauen mussten nicht bei »unwerten« Männern blieben, die Rasse hat Vorrang gegenüber sozialer Bindung (Lebensborn). Schon einige Jahre zuvor hatte ein Reichsgericht erstmals einer Abstammungsklage auf Feststellung der »echten«, biologischen Abstammung stattgegeben. Grund war natürlich, so die damalige Urteilsbegründung, der Schutz des »deutschen Blutes«. In Westdeutschland wurden diese Gesetze nach dem Krieg beibehalten, in der DDR hingegen war bis 1966 eine Klage auf Vaterschaftsfeststellung unzulässig.

Ich finde es erschreckend, wie viel von dieser rassistischen Geschichte in der aktuellen Diskussion zur Vorrangstellung der Biologie vor dem Sozialen im Hinblick auf Vaterschaft noch immer virulent ist.

Rückkehr der Vielehe

Die Rückkehr der Vielehe. Ergeben sich aus dem Problem: Biologische Vaterschaft und Möglichkeit der Scheidung. Wir sind sozusagen wieder bei dem alten Problem von Hobbes gelandet, dass nicht zwei, Mutter und Vater, gleichzeitig über das Kind »herrschen« können.

Eine andere Art der Konkurenz zwischen Müttern und Kinderlosen: Letztere können freier lieben, sie müssen nicht immer weiter ihren »Ex« in ihrem Leben mit einbinden.

Interessenskonflikte zwischen 1., 2. oder 3. Frau/Mutter

Problem, dass wir es nicht aus der Perspektive der Töchter/Söhne sehen, sondern als Interessenspolitik: Diskussion in Bad Kreuznach über die Interessen der 2. oder 3. Frau gegenüber der ersten: Nicht unter der Perspektive, was ist gut für unsere Gesellschaft bzw. welche Kultur wollen wir.

Neue Grenzziehung: Emanzipierte/Nicht-Emanzipierte

Verläuft die Grenzlinie heute nicht mehr zwischen Müttern und Nichtmüttern, sondern zwischen »emanzipierten« und gleichberechtigten Frauen (ohne oder mit wenigen Kindern) und traditionellen Müttern? Soziologie: Lebensstile zwischen Singles und Eltern von nur einem Kind sind sich sehr ähnlich geworden. Grenze zwischen deutschen und nichtdeutschen, vgl. Arbeitsamt Wetzlar.

Dafür spricht auch, dass Emma heute nicht mehr Mutterschaft ablehnt, sondern emanzipierte Mütter feiert. Frage, ob das wirklich ein Fortschritt ist oder die Neuauflage der alten Spaltung in einem neuen Gewand.

Equal-Pay berechnungen verschleiern Differenzen unter Frauen

Antje: Equal Pay-Day – solche Berechnungen verschleiern die Differenzen unter Frauen. Wie sind die Lohnunterschiede zwischen Kinderlosen und Müttern? Es geht dabei nicht um die symbolische Bedeutung von Weiblichkeit (Mutter/Nichtmutter), sondern um ökonomische Fragen (Care-Arbeit leisten oder nicht). Das wird ja noch im März Thema sein.

Junge Frauen wünschen sich Muttersein

Junge Frau (Schülerinnensprecherin) bei Podiumsdiskussion in Köln: Wunsch nach Mütterlichkeit, nach sich um die Kinder kümmern, nach glücklich werden, aber sie sieht es immer noch als etwas Privates an, als individuelles Projekt. Nicht, dass öffentliches Muttersein »glücklich« macht. Immerhin haben die alten Feministinnen sie nicht mehr ausgebuht, aber sie haben sie, glaube ich, auch nicht verstanden.

Über das Müssen

Über das Müssen (im März)

Gute Mutter und Nützlichkeit

Diskussion über »gute Mutter« und »gute Frau« – Bedeutung der Nützlichkeit von Frauen. Es ist nicht klar, dass es dabei um weibliche Autorität geht. Das steckt hinter dem ganzen Mutterthema

Familienbegriff erweitern

Familie neu definieren. Nicht nur Blutsverwandtschaft, sondern soziale Netzwerke. Wer füreinander verbindlich sorgt, ist Familie. Romanisches Modell der sozialen Familie übertragen auf freie Geschlechterbeziehungen und nicht glauben, dass Rasse/Biologie die einzige Möglichkeit von Freiheit in der Gesellschaftsordnung ist. Trennung zwischen Öffentlicher und Privater Fürsorge aufheben. Nicht unter dem Primat der Ökonomie, sondern unter dem Primat der Mütterlichkeit /Bedürftigkeit organisieren. Kinderlose gehören da ebenso hinein, denn auch sie hatten Mütter, sind also in dem Zirkel der gegenseitigen Abhängigkeit eingebunden.

Literaturverzeichnis

Badinter, Elisabeth (1999): Die Mutterliebe. Geschichte eines Gefühls vom 17. Jahrhundert bis heute. Ungekürzte Taschenbuchausg., 4. Aufl. München: Piper (Serie Piper, 1491).

Beauvoir, Simone de (1991): Das andere Geschlecht. Sitte und Sexus der Frau. 427. – 436. Tsd. Reinbek bei Hamburg: Rowohlt (rororo rororo-Sachbuch, 6621).

Folbre, Nancy: Feministische Studien, November 2007.

Müller, Sabine: Feministische Studien Nov. 2007.

Neiseke, Eric: Rezension zu Steffen Baumgarten: Die Entstehung des Unehelichenrechts im BGB, Köln2007. (Querelles, 25). Online verfügbar unter http://www.querelles-net.de/2008-25/text25neiseke_baumgarten.shtml.

Neumayr, Agnes (2007): Kritik der Gefühle. Feministische Positionen. Wien: Milena-Verl.