Antje Schrupp im Netz

Arbeiten in Freiheit und Sicherheit

Dieser Vortrag ist nicht ausformuliert, sondern weitgehend bruchstückhaft. Ich bitte das, beim Lesen und Rezipieren zu bedenken. Er ist nicht zitierfähig! Zur Sicherheit nochmal nachschauen unter «Erlaubnisse und Verbote«

Die Frage »Wie wollen wir arbeiten?« steht im Zentrum heutiger wirtschaftspolitischer Debatten. Was macht Arbeit aus, wie kann Arbeit sinnvoll geteilt werden und welche politischen Wege sind dabei hilfreich? Antje Schrupp geht der Frage nach, wie die weibliche Perspektive einer Weltsicht der Freiheit in Bezogenheit mit aktuellen politischen Diskursen vermittelt werden könnte.

Problem: Wir sind als Feministinnen, die an einer weiblichen Kultur der Differenz arbeiten, praktisch aus dem Mainstream-Diskurs ausgeschlossen. Obwohl der Feminismus zur Zeit in ist.

Beispiel taz zum Weltfrauentag im März. Sie hatte acht Seiten dem Thema gewidmet, aber über den kulturellen Beitrag von Frauen zu dieser Gesellschaft war da absolut nichts zu lesen. Sondern nur über nach wie vor zu beobachtende Gerechtigkeitsdefizite – Frauen verdienen weniger, sind seltener in hohen Positionen und so weiter.

Und viel über die Notwendigkeit, den Feminismus »sexier« zu machen. Dazu gibt es ja derzeit eine ganze Reihe von Veröffentlichungen jüngerer Frauen. Auch ihr Ausgangspunkt ist aber nach wie vor das Gerechtigkeitsdefizit, bloß dass sie andere Strategien anwenden wollen – weniger Dogmatismus, weniger Anti-Männer-Haltung, mehr auf die Stärken von Frauen setzen. Aber das Ziel ist die Einbindung von Frauen in eine männlich dominierte Gesellschaftsstruktur.

Aber dieses Bedürfnis vieler Frauen, sich innerhalb des Systems zu bewegen, finde ich wichtig, es drückt sich darin auch ein Begehren der Frauen aus, nicht länger außerhalb stehen zu wollen, sondern das Ganze verantwortlich zu gestalten und mitzuwirken. Ich glaube nicht, dass es nur Anpassung oder das Streben nach Prestige und Macht ist – das mag im Einzelfall so sein, aber nicht als Grundströmung.

Die Frage, die mich beschäftigt ist, wie wir dies überwinden können. Wir brauchen eine Haltung des sowohl als auch: Wir stehen sowohl innerhalb dieser Gesellschaft als auch außerhalb. Wie können wir das denken? Wie können wir eine weibliche Kultur schaffen, die sich aber nicht jenseits der gesellschaftlichen Mainstreamdebatten bewegt, sondern diese beeinflusst und mitgestaltet?

Welche Möglichkeiten gäbe es, sich anzuknüpfen? Wie können wir Einfluss gewinnen und unsere Ideen zum Zirkulieren bringen? »Affidamento«: Welche Antworten haben wir auf das Begehren dieser jungen Frauen, in der Welt aktiv und präsent zu sein?

Der Feminismus ist ja nichts, was eine feste »Antwort« hat, sondern er ist eine Bewegung, die vom Begehren der Frauen angetrieben wird, ein nach vorne offener Denk- und Praxisprozess, der immer im Austausch mit der Realität steht. Das heißt, auf die Vermittlung kommt es genauso an, wie auf die Wahrheit des Denkens und der Ideen selbst. Und zwar nicht in einem instrumentellen Sinne, sondern im Austausch mit der Realität, so wie wir sie vorgeben, entsteht überhaupt erst das Neue. Sinn entsteht immer nur in einem Kontext und ist von diesem abhängig.

Natürlich heißt das nicht, dass immer alles wieder neu erfunden werden muss.

Etwas, das ich vom Feminismus gelernt habe ist es, falschen Alternativen zu misstrauen, einem Entweder-Oder oder Schwarz-Weißmalerei. Es werden viele falsche Fronten aufgemacht. Unterschiede verstehe ich deshalb nicht als Gegensätze, sondern als das, was Luisa Muraro »assymmetrische Differenz« nennt. Weiblich ist nicht das Gegenteil von Männlich, sondern etwas anderes. Diese Aufteilung der Welt in vermeintliche Gegensätze ist ja eine lange Denkfigur im Patriarchat.

Ich möchte das heute am Beispiel der Arbeit einmal durchdenken. Thema, das gesellschaftspolitisch relevant ist und zu dem Frauen viel beizutragen haben.

Dabei gehe ich aus von zwei älteren Texten, die das Thema bereits behandelt haben: Einem Text über das Grundeinkommen, den wir auf einer Mailingsliste im Frühjahr 2004 gemeinsam geschrieben haben und der den Titel trägt »Welt gestalten im ausgehenden Patriarchat).

Und zweitens das Buch von Dorothee Markert »Nicht Mangel, sondern Fülle. Arbeit neu denken«.

Der Grundeinkommenstext plädiert für eine Entkopplung von Einkommen und Erwerbsarbeit, allerdings bieten wir darin andere Argumente als sie in der derzeitigen Debatte üblich sind. Wir gehen aus von der Bedürftigkeit der Neugeborenen, die darauf vertrauen können, dass für sie gesorgt wird. Diese grundlegende Bedürftigkeit ist unserer Ansicht nach nicht nur eine temporäre Erscheinung, die mit Eintritt ins Erwachsenenalter endet, sondern gehört zur Bedingtheit des menschlichen Lebens.

Demografie, nicht nur Kinder, sondern auch Ältere.

Die männliche Phantasie der autonomen selbstständigen Subjektes hat dies jedoch geleugnet und begonnen, die Menschen in »Eigenverantwortliche« oder auch »Leistungsträger« und vermeintliche »Schmarotzer« oder »Nutzlose« einzuteilen. Diese symbolische Aufteilung der Menschen macht den Gedanken an ein Grundeinkommen so schwierig. Dass nur etwas bekommen soll, der etwas leistet, ist die kulturelle Figur, die ein Grundeinkommen behindert, nicht etwaige Probleme bei dessen Finanzierung. In diesem Grundeinkommenstext schlagen wir deshalb vor, zunächst an unserem Menschenbild zu arbeiten und an der Frage der männlichen Identitätsbildung, die mit der Erwerbsarbeit verknüpft ist. Dieser Text ist aber nicht nur eine Positionsbestimmung, sondern auch ein Vermittlungsangebot, viele von uns Autorinnen haben ihn inzwischen auf gemischten »linken« Versammlungen vorgestellt und er hat schon zu einer Reihe von Buchbeiträgen und Podiumsteilnahmen geführt, wo wir diese »weibliche Perspektive des Grundeinkommen« (so werden wir häufig angekündigt) also in die Welt hinein vermitteln und zu tragen versuchen.

Während dieser Grundeinkommenstext also vor allem versucht eine Antwort auf die Frage zu finden, warum Menschen ein Einkommen haben sollten auch unabhängig von ihrer Leistung oder Erwerbsarbeit geht Dorothee Markert sozusagen der anderen Seite der Medaille nach, nämlich der Frage der Arbeit. Sie zeigt darin, wie schädlich eine Kultur ist, die Arbeit sozusagen als Strafe versteht, als etwas Negatives, Mühseliges, das man möglichst schnell hinter sich bringen soll. Sie zeigt, dass dies nicht nur für die Menschen schädlich ist, weil sie in Gefahr geraten, sich den Kontakt zu ihrem eigenen Begehren im Berufsleben sozusagen abzuschneiden, sondern sich auch negativ auf die Qualität der Arbeit selbst auswirkt. Ganz abgesehen davon, dass es uns in die absurde Situation bringt, dass Arbeit zu einer Mangelware geworden ist, um das wir untereinander konkurrieren müssen.

Seit Erscheinen dieser beiden Texte sind inzwischen schon drei Jahre vergangen und das Thema »Zukunft der Erwerbsarbeitsgesellschaft« ist aktueller denn je. Und vor allem sind auch die Frauen stärker ins Zentrum der Aufmerksamkeit gerückt im Zuge der Debatten um die demografische Entwicklung und die Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Es ist ja eben auch dieser Punkt, an dem sich die Lebensverhältnisse von Frauen in den letzten Jahrzehnten am Grundlegendsten geändert haben: Sie sind heute selbstverständlich in das Erwerbsarbeitsleben integriert. Für junge Frauen ist es selbstverständlich, dass sie einen Beruf haben und ihr eigenes Geld verdienen müssen. Kindererziehung wird von ihnen allen – und inzwischen ist das auch offizielle Politik – höchstens als eine Unterbrechung, nicht aber als eine Alternative zur Erwerbsarbeit angesehen.

Die Frage also, die ich stelle, ist die, wie die weibliche Weise, zu arbeiten, diese Gesellschaft verändert – verändert hat, verändern kann, verändern wird – und wie dies in politische Debatten eingeschrieben werden könnte. Wie können die feministischen Denkansätze und Ideen, die wir bereits entwickelt haben, die Realität auf eine befreiende Weise gestalten und verändern und damit auch eine Antwort auf die Probleme vieler auch junger Frauen geben? Und wo müssen und können diese Ideen im Kontakt mit der Realität weiterentwickelt oder verändert werden?

  • Statistiken, die im Hinblick auf Gleichheit interpretiert werden, aber das Begehren der Frauen ignorieren

  • Beispiel Girls Day: Gleichstellungsbeauftragte erzählte mir, dass sie sich immer ärgert, wenn junge Mädchen ihr Praktikum im Kindergarten machen wollen. Sie will, dass sie in technische und »lukrativere« Berufe gehen. Das ist sicher richtig, wenn ein Mädchen nur aus Konventionalität oder weil sie sich anderes nicht zutraut oder nicht auf Ideen gebracht wurde, Erzieherin werden will. Aber wäre es nicht auch unsere Aufgabe als Erwachsene, eine Welt zu schaffen, in der junge Frauen ihren Wunsch, mit Kindern zu arbeiten, erfüllen können, ohne das mit schlechten Arbeitsbedingungen und wenig Geld bezahlen zu müssen?

  • Problem der schwierigen Verbündeten: Feminismus als Kronzeuge für neoliberale Politik. (Beispiel: Koch-Mehrin). Die Wirtschaft braucht weibliche Arbeitskräfte. Das zeigt, wie sehr es darum geht, innerhalb der bestehenden Systeme zu argumentieren und sich zu bewegen. Es ist natürlich ein gefährliches Argument, weil es das Begehren der Frauen damit rechtfertigt, dass die Wirtschaft dasselbe Begehren hat. Das Dogma der »Eigenverantwortung« richtet sich gezielt gegen das alte bürgerliche Frauenbild, das sieht man auch an neuen Gesetzen zum Unterhalt etc. Die neue Freiheit wird also mit Unsicherheit bezahlt, Freiheit und Sicherheit scheinen sich auszuschließen.

Die politische Bedeutung individueller Entscheidungen sichtbar machen. München kam der Einwand von einer Frau: Ich entscheide als Mensch, nicht als Frau. Das ist richtig. Aber es ist gesellschaftspolitisch relevant.

Ein Punkt, wo mein Denken sich in den vergangenen drei Jahren weiter entwickelt hat, ist die Frage nach der Notwendigkeit. Der Fokus liegt in der Debatte zur Arbeitsgesellschaft darauf, dass es immer weniger bezahlte und sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze gibt. Dies ist ein Thema, das mehr Männer als Frauen beschäftigt, unter anderem, weil die männliche Identität stark mit dem Besitz eines Arbeitsplatzes verknüpft ist, und die auch in den Parteien, Medien etc. im Mittelpunkt steht. In diesem Kontext wird dann auch die Grundeinkommensdebatte geführt: Mit den Plädoyers, Arbeit und Einkommen zu entkoppeln – bzw. diese Entkopplung, die ja schon längst in vielen Bereichen eine Tatsache ist, theoretisch und symbolisch zu denken. Zu verstehen, dass Arbeit nicht nur den Sinn hat, Geld zu verdienen, und dass Einkommen nicht von einer erbrachten Leistung abhängig sein kann.

Das ist ja auch alles richtig. Und ich glaube, dass Frauen bei diesem Prozess den Männern ein Stück voraus sind. Frauen wissen ja schon lange aus eigener Erfahrung, dass Einkommen und Leistung, Geld und Arbeit nicht notwendiger weise etwas miteinander zu tun haben. Dass man für eigenen Lebensunterhalt immer auf die Unterstützung von anderen angewiesen ist, ist für Männer noch ein bisschen ungewohnt. Und er wird es zunehmend auch für die Frauen.

Genauso wichtig ist aber ein anderer Aspekt, nämlich der, wer eigentlich die notwendigen Arbeiten erledigen wird, die nicht über den Markt zu gewährleisten sind – dies ist ein Aspekt, der mehr Frauen als Männer beschäftigt, die diese Arbeiten ja historisch und bis heute überwiegend machen, mit vielen Schwierigkeiten, die sie dabei haben. Wer erledigt die notwendigen Arbeiten, für die es kein Geld gibt?

Sämtliche Krisen im Bildungs-, Gesundheits- und Sozialsektor, die uns dauernd in den Nachrichten begegnen, sind ja eine direkte Folge davon, dass schlicht und einfach nicht geklärt ist, wer eigentlich die unbezahlten, aber gesellschaftlich notwendigen Arbeiten übernehmen soll, die Frauen über Jahrhunderte hinweg stillschweigend und gratis oder zu lächerlich niedrigen Löhnen erledigt haben, wenn diese dazu nicht mehr bereit sind. Dass das meist unter dem verharmlosenden Stichwort »Vereinbarkeit von Beruf und Familie« diskutiert wird, ist fatal. Erweckt es doch den Eindruck, als seien es die Frauen, die mit dieser »Vereinbarkeit« ein Problem hätten und denen dabei netterweise geholfen werden müsse. Wer hier aber ein Problem hat, das ist die Gesellschaft als Ganze, der nämlich jedes Konzept zur politischen und wirtschaftlichen Integration von Fürsorge-Arbeit fehlt – eine Arbeit, deren Ausmaß angesichts der demografischen Entwicklung in Zukunft noch steil ansteigen wird.

Biologismus, Mulack-Buch, »Bio-physische Ausstattung«, ich glaube, dieses Argument ist nicht nötig. Sinn – Wahrheit.

So, wie die Geldströme derzeit organisiert sind, stehen Frauen, vor vier gleichermaßen schlechten Alternativen: Sie können entweder trotz Hausarbeit voll erwerbstätig sein, was schlicht heißt, dass sie Doppelschichten fahren und kaum Freizeit haben – dafür aber selbst verdientes Geld. Oder sie können mit den Männern darüber verhandeln, dass diese ihrerseits einen gerechten Anteil an unbezahlter Hausarbeit, Kindererziehung, häuslicher Altenpflege übernehmen – ein Projekt, das bislang bekanntermaßen wenig Erfolg hatte und meistens zermürbende und langwierige Diskussionen erfordert, zu denen eigentlich keine mehr Lust hat. Drittens können Frauen ihre Erwerbsarbeit reduzieren oder zeitweise ganz aufgeben, was aber zur Folge hat, dass sie finanziell von Männern oder von staatlichen Transferleistungen abhängig sind. Das war schon immer riskant und wird heute immer riskanter.

Oder die Frauen könnten, viertens, einfach aufhören, diese unbezahlten Arbeiten zu erledigen. Manche (bislang wenige) Frauen wählen diese Option bereits, und schon sind die gravierenden gesellschaftlichen Probleme offensichtlich, die das nach sich zieht. Denn wir haben reden hier ja keineswegs über Peanuts: Im Haus- und Fürsorgebereich werden mehr Arbeitsstunden geleistet als in der Erwerbsarbeit. 80 Prozent aller Fürsorge für pflegebedürftige Menschen in Deutschland werden auch heute noch unbezahlt von Frauen im familiären Kontext erledigt – und trotzdem sind die Pflegekassen schon am Rande des Ruins. Fast alle Frauen reduzieren immer noch ihre Erwerbsarbeit, wenn sie kleine Kinder haben, und trotzdem sprengt die Nachfrage nach Betreuungsplätzen bei weitem das Angebot.

Diese Gesellschaft wird gegenwärtig nicht von Spielern auf dem globalen kapitalistischen Markt zusammen gehalten, sondern von einem weit gespannten weiblichen Netzwerk, das irgendwie (und jenseits aller kapitalistischen »Gesetzmäßigkeiten«) versucht, die alltägliche Sorge um die Bedürfnisse realer Menschen zu bewältigen und mit der Notwendigkeit, Geld zu verdienen, in Einklang zu bringen. Ein Netzwerk aus Hausfrauen, Erwerbstätigen, Großmüttern, Nachbarinnen, Krankenschwestern und Erzieherinnen. Schon längst funktioniert dieser Kraftakt nur global, nämlich mit Hilfe von Putzfrauen, Kindermädchen und Altenpflegerinnen aus Polen, Ungarn, Afrika oder Südamerika, die einen größer werdenden Anteil dieser Arbeit in privaten Haushalten bei uns leisten. Sie arbeiten meist illegal und in ungeschützten und prekären Lebens- und Arbeitsverhältnissen, werden aber verschämt geduldet von einer Politik, die diesen Zusammenhang ignoriert, aus dem einfachen Grund, dass sie keine bessere Lösung weiß. Auch ihre Arbeit, obwohl sie über Geld, also den Markt vermittelt ist, bleibt unbilanziert. Sie taucht in keiner Statistik auf, fließt in kein Bruttosozialprodukt ein, sondern bleibt »schwarz«, »illegal« – und ist damit genauso wenig »richtige Arbeit« wie die traditionelle Hausarbeit einheimischer Frauen.

Vorschlag: Grundeinkommen – betrifft nur den Aspekt der Freiheit

Vorschlag: Konservative Frauenrollen wiederbeleben – betrifft nur den Aspekt der Sicherheit

Ein Grundeinkommen hätte den Vorteil, dass auch Menschen, die diese gesellschaftlich so notwendigen Fürsorge-Arbeiten bislang gratis erledigen, ein Einkommen hätten – wobei hier allerdings das ansonsten so befreiend klingende Beiwort »leistungsunabhängig« doch einen schalen Beigeschmack bekommt. Trotzdem ließe sich auf diese Weise nicht nur sicherstellen, dass diese Fürsorge-Arbeiterinnen ein Minimum an »eigenem Geld« hätten, sondern es könnte auch die Diskussion neu eröffnet werden. Denn die bisherigen Ansätze, diese Arbeiten über den Geldmarkt und die kapitalistische Wirtschaftslogik abzugelten, sind ja nicht gerade überzeugend. Fürsorge-Arbeiten erfordern kein rationales Kosten-Nutzen-Kalkül, sondern persönliche Zuwendung, funktionierende Beziehungen, Empathie und Freude, sicher auch ein gewisses Maß an Selbstaufopferung – alles Aspekte, die diese Arbeit nach Marktkriterien teuer und wenig gewinnbringend macht. Und nur Zyniker können wohl auf die Idee kommen, hier möglicherweise unmotivierte und unqualifizierte 1-Euro-Jobber einzusetzen.

Am Anfang der Grundeinkommensdebatte habe ich gedacht, es sei nur eine Sache der Gewohnheit und eines konservativen Marktdenkens. Inzwischen bin ich nicht mehr so sicher, vor allem deshalb, weil die Haupteinwände gegen ein Grundeinkommen inzwischen vor allem von links kommen, von der SPD und von Gewerkschaften.

Diskussion Traudel über Notwendigkeit und Grundeinkommen (Freud, arbeitsloser Schauspieler) Die Frage, die wir noch nicht wirklich zu Ende gedacht haben, ist tatsächlich die nach der Notwendigkeit. Was veranlasst uns, Dinge zu tun, die notwendig sind, für die wir aber kein Geld bekommen? Was ist überhaupt notwendig? Gibt es dafür Kriterien? Erfahrungen?

Grenze der Professionalisierung von sozialer Arbeit, Bsp. Beginenhof Unna, Qualität evaluieren.

Vielleicht liegen die Gründe tatsächlich tiefer: Argument: Prostitution und Geld (Christina von Braun). Vielleicht ist der Kauf von Körpern und Arbeitskraft insgesamt das Äquivalent, das den Wert des Geldes repräsentiert: Kann ich von Geld die Arbeit anderer kaufen? Oder genauer gefragt: Kann ich Beziehungen kaufen? Denn darum geht es bei der zukünftigen Organisation von Care- und Hausarbeit.

Dies lenkt den Blick davon ab, dass unser gesamtes Erwerbsarbeitssystem insofern den Charakter der Prostitution hat, weil wir arbeiten nicht aus »Liebe« (oder, um Notwendigkeiten zu begegnen), sondern für das Geld.

Die Frage der Notwendigkeit wird ans Geld geknüpft und nicht an den Inhalt des Tätigseins (Ich arbeite für Geld, nicht weil die Arbeit gemacht werden muss) – Argument der SPD gegen Grundeinkommen. In gewisser Weise repräsentiert also nicht nur die Prostitutierte die Gewähr für den Wert des Geldes, sondern die Erwerbsarbeit insgesamt: Alle Erwerbstätigen sind in gewisser Weise Prostitutierte, weil sie für Geld arbeiten und nicht aus Liebe.

Weil dies ein so heikles Thema ist, könnte der Diskurs über die »Unmoral«, Liebe und Geld zu vermischen, auf die Prostitutierten übertragen worden sein und damit auf die Frauen insgesamt. Denn die »gute Frau« war eben das Gegenteil der Prostituierten.

Frauen sind heute, am Ende der Erwerbsarbeit, den Männern gegenüber in einem gewissen Vorteil, weil sie weniger Identitätsprobleme haben, wenn die Erwerbsarbeit an Bedeutung verliert. Dass Frauen arbeiten und dafür sehr oft kein Geld bekommen – im Haushalt, in der Kindererziehung, in der Pflege von alten oder kranken Menschen, oder in vielen ehrenamtlichen Projekten – ist nun wirklich der beste Beweis dafür, dass der so oft vorgebrachte Einwand gegen das Grundeinkommen, dass nämlich ohne Lohnanreize niemand mehr etwas arbeiten würde, schlicht Unsinn ist.

Beispiel Jan Kindergeburtstag.

Da aber noch immer hier zu Lande Einkommen, soziale Absicherung usw. größtenteils an Erwerbsarbeit geknüpft ist, haben Frauen natürlich, wie Männer auch, große Sorgen und Geldprobleme, wenn sie arbeitslos werden. Frauen stürzen dann aber viel seltener in dramatische Sinnkrisen. Denn sie wissen auch jenseits von Erwerbsarbeit meistens etwas mit sich und ihrem Leben anzufangen. Dies ist eine Ressource an Wissen und Know-How, das diese Gesellschaft heute dringend braucht, aber viel zu selten abfragt.

Dies betrifft also die Frage nach der Freiheit: Freiheit ist nicht Autonomie, sondern kann nur innerhalb von Beziehungen stattfinden. Dies haben wir als feministische Denkerinnen in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten unter vielerlei Aspekten diskutiert. Und dies ist auch der »Link« zur Notwendigkeit: Damit ich Dinge tue, die notwendig sind, brauche ich eine Beziehung. Ich tue etwas einem bestimmten Menschen zuliebe. Notwendigkeit hat deshalb etwas mit Freiheit zu tun: Ich sage, was notwendig ist.

Brandeins: Gier der Unternehmens-Vorstände: »Wenn niemand da ist, dem das Geld ganz eindeutig gehört, dann gehört es eben mir«

Diese Notwendigkeit ist es auch, die der Arbeit einen Sinn gibt – das erklärt auch die Kränkung, wenn Arbeitsbereiche eingestellt oder Abläufe verändert werden, Bsp. Eltern – Post.

Lernen: Nicht wieder Alternativen

Es ist aber auch wichtig, die andere Seite zu diskutieren: Die Frage nach der Sicherheit, und die hängt eng mit der Frage nach dem Geld zusammen. Geld zu haben gibt in der derzeitigen Logik ein Gefühl der Sicherheit – ich kann mir alles kaufen, was ich brauche.

Der Sinn des Geldes wäre dann nicht die berühmte Funktion, »Tauschäquivalent« zu sein, als den Tausch von Gütern und Waren durch einen neutralen Äquivalenzpunkt zu vereinfachen, sondern ein Mittel, um Beziehungen zu garantieren – wer Geld hat, kann sich die Arbeit anderer kaufen – nicht nur den Sex einer Prostituierten, sondern auch die Zuwendung einer Pflegerin, die Aufpasserin für seine Kinder, die Köchin für seine Nahrung. Wenn diese Garantie verloren geht (und dies ist ein Thema, das inzwischen auch schon in Wirtschaftszeitungen wie der FTD diskutiert wird) – wer garantiert mir dann, dass ich im Zweifelsfall gepflegt und versorgt und geliebt werde?

Es ist meiner Meinung nach auch die Angst davor, diese Sicherheit zu verlieren, um die es in den heutigen Debatten geht. Es geht eben nicht mehr nur darum, dass ich mir von Geld »Dinge« kaufen kann, sondern vor allem ist das Geld wichtig, um mir Arbeitkraft kaufen zu können – ein Thema, das gerade im Bezug auf die demografische Entwicklung Bedeutung hat: Wer wird mich pflegen, wenn ich mich nicht mehr selbst versorgen kann? Was hier auf dem Spiel steht, ist also auch die Frage nach dem Wert des Geldes, denn was nützt mir Geld, wenn die Leute nicht mehr gewillt sind, oder wenn keine Leute mehr da sind, die für mein Geld auch arbeiten?

Ich glaube, dies ist der Punkt, an dem unsere Überlegungen zu einer weiblichen Kultur der Fülle für diese gegenwärtigen Diskussionen wichtig sein könnten. Ich glaube aber nicht, dass wir schon fertige Antworten haben. Weg: Auflösung der Dualismen. Wie gelingt es uns, Professionalität und Beziehungen zusammenzudenken? Liebe und Sex? Freizeit und Arbeit?

Freizeit und Erwersarbeit

Gegenwärtig wird das Thema als die Alternative diskutiert: Mehr Freizeit und selbstbestimmtes Tätigsein versus bezahlte Arbeit für alle. Die SPD-Frau Andrea Nahles zum Beispiel hat erstkürzlich in einem Interview mit der taz gesagt, dass wir uns von dem Modell der Vollbeschäftigung nicht verabschieden dürfen, weil Erwerbsarbeit die einzige Möglichkeit ist, Menschen in das gesellschaftliche Leben zu integrieren.

Im wirklichen Leben stehen wir doch nicht vor der Wahl, entweder erwerbstätig zu sein, oder Freizeit zu haben! Sehr viele Frauen jedenfalls müssen dauernd überlegen, wie sie die Notwendigkeit der alltäglichen Haus- und Fürsorgearbeiten mit der Notwendigkeit, Geld zu verdienen unter einen Hut bringen können.

Da könnte die Hausarbeit Vorbild sein. Hausarbeit stand ja lange Zeit unter dem Verdacht, Freizeit zu sein. Dagegen haben Feministinnen gesetzt, dass es doch »genauso« Arbeit ist. Es ist aber nicht »genauso« Arbeit wie die Erwerbsarbeit. Einfach deshalb, weil es hier eben nicht um Geld geht, sondern um andere Notwendigkeiten. Gelernt haben wir, dass es auch ums Geld gehen muss. Im Bezug auf die Erwerbsarbeit bleibt zu lernen, dass es auch um die realen Notwendigkeiten gehen muss.

Bezug zur New Economy: Gemeinsame Kritik an der patriarchalen Industriekultur.

Und genau hier liegt auch die Gefahr in der Grundeinkommens-Debatte. Die Behauptung, dass uns gesamtgesellschaftlich die Arbeit ausgehen würde, ist ja schlichtweg falsch. Was uns ausgeht, das ist die klassische Erwerbsarbeit. Es bleiben aber trotzdem noch jede Menge Dinge übrig, die notwendigerweise getan und erledigt werden müssen. Ein Grundeinkommen löst dieses Problem nicht. Einige Spitzbuben könnten sogar auf die Idee kommen, dass die Frauen mit einem Grundeinkommen umso leichter wieder an Heim und Herd zurück geschickt werden könnten, weil ja ihre Existenz gesichert ist. Heute können Frauen mit dem Argument, dass die Marktlogik sie nun einmal zur Erwerbsarbeit zwingt, zumindest in gewissem Rahmen darauf pochen, dass diese Probleme angegangen werden. Ein Grundeinkommen könnte ihnen dabei den Wind aus den Segeln nehmen.

Nein, jenseits der Erwerbsarbeit wartet nicht nur Freizeit, also Selbstverwirklichung, Lebensfreude, Müßiggang und Kreativität auf uns, sondern auch ein Berg von Arbeit. Es ist deshalb notwendig, im ökonomischen Denken eine dritte Kategorie neben »Erwerbsarbeit« und »selbst bestimmtem Leben« einzuführen – und zwar die Kategorie der gesellschaftlich notwendigen Arbeiten, die der Markt nicht oder nur schlecht organisieren kann, die aber unter dem Aspekt der Selbstverwirklichung auch nicht gewährleistet sind. Für die Erwerbsarbeit kann der Markt sorgen, für das selbst bestimmte Leben das Grundeinkommen, und beides passt wunderbar zusammen. Aber weder der Markt, noch das Grundeinkommen sind in der Lage, Fürsorge-Arbeiten zu organisieren. Der Markt nicht, weil die Qualität dieser Tätigkeiten leidet, wenn man sie Rationalitätskriterien unterwirft, das Grundeinkommen nicht, weil es, wenn der Beisatz »bedingungslos« ernst gemeint ist, mit der Möglichkeit rechnen muss, dass vielleicht niemand Lust darauf hat, alte Menschen zu füttern oder Kinder zu wickeln oder Fenster zu putzen oder das Klo zu schrubben.

  1. Beziehung kontra Professionalität

Im Zuge der bereits ein Stück weit fortgeschrittenen Marktrationalisierung von Fürsorge-Arbeiten stellt sich inzwischen schon die Qualitätsfrage. Es zeigt sich, dass überhaupt noch nicht evaluiert ist, worin genau eigentlich die Qualität der Arbeit einer »Hausfrau« besteht. Eine ganze Reihe von Ethikerinnen und Ökonominnen haben sich zwar bereits mit diesem Problem beschäftigt und Modelle erarbeitet, wie dieser Komplex wirtschaftlich und gesellschaftlich integriert werden könnte, im Allgemeinen werden ihre Arbeiten aber nicht zur Kenntnis genommen.[1]

Leute im Altenheim verhungern, 50 Prozent sind unterernährt. Das ist nicht einfach nur mangelnde »Professionalität«, sondern es zeigt, dass der Aspekt der Beziehung hinter dem der Professionalität zu stark zurück getreten ist. Beispiel Magensonde.

Geld oder Freude

Beispiel Honorarverhandlungen: Wer Freude an der Arbeit hat, wird auch die Arbeit gut machen und sollte daher gut verdienen.

  1. Freiheit und Sicherheit

In unserem Grundeinkommenstext schlagen wir vor, das Grundeinkommen – das wir unterstützen – nicht als ein Recht zu verstehen, auf das jeder Mensch »bedingungslos« einen Anspruch hat, sondern als ein Geschenk von uns allen an uns alle. Ein Geschenk, das symbolisch darauf fußt, was ausnahmslos jeder Mensch bereits bekommen hat: Das Geschenk des Lebens durch die Mutter. So wie wir jeden Neuankömmling auf der Welt begrüßen, ohne dafür irgend eine Gegenleistung zu erwarten, wie wir versprechen, ihn oder sie mit Nahrung, Kleidung, Liebe, Zuwendung und notwendiger Hilfe zu versorgen, ebenso wäre es sinnvoll und notwendig, den gemeinsam erwirtschafteten gesellschaftlichen Reichtum auf eine Weise zu verteilen, die allen Menschen, unabhängig von jeder Gegenleistung, genug Geld zum Leben gibt.

Dies wäre im Übrigen auch eine Antwort auf ein anderes ungelöstes Problem des Grundeinkommens-Modells: Das nach dem Einschluss und der gesellschaftlichen Teilhabe der so genannten »Überflüssigen«. Oft wird ja gesagt, wenn man die mit Geld abspeist, hätte man sie ganz aufgegeben, man müsse vielmehr etwas von ihnen fordern, um sie gesellschaftlich zu integrieren. Ich bin ganz einverstanden damit, dass man von ihnen – wie von allen Menschen – etwas fordern muss. Aber nicht instrumentell. Beispiel Gespräch beim Friseur (Alter Mann, der die Pflegerin rumkommandiert, obwohl er noch vieles kann)

Und zwar, weil das meinen Erfahrungen entspricht: Wenn andere etwas von mir erwarten, wenn sie Hoffnungen in mich setzen, wenn sie Ansprüche stellen, dann spornt mich das an, bringt mich auf Ideen, motiviert mich, aktiv zu werden. Von anderen etwas zu fordern heißt, sich für sie zu interessieren, aufmerksam zu sein für das was sie können, was sie wollen, was sie erträumen.

Es ist allerdings ein Armutszeugnis für unsere Kultur, dass wir keine andere Möglichkeit sehen, von anderen etwas zu verlangen, als die, ihnen ansonsten mit dem Entzug der Lebensgrundlage zu drohen. Offenbar haben wir alle vergessen, dass wir selbst am Anfang unseres Lebens doch eine ganz andere Erfahrung gemacht haben. Unsere Mutter war ja wohl diejenige Person, die am meisten von uns gefordert hat. Sie hat gefordert, dass wir krabbeln sollen, dass wir laufen sollen, dass wir sprechen sollen, dass wir pünktlich zur Schule gehen, dass wir unser Zimmer aufräumen, dass wir der doofen Tante zum Geburtstag gratulieren. Aber musste sie uns etwa damit drohen, dass wir andernfalls nichts zu essen kriegen? So ein Unfug! Ja, wir müssen Ansprüche stellen und etwas fordern von denjenigen, die sich derzeit vielleicht mit der Bierflasche vor den Fernseher verkrümeln, von denen, die sich überflüssig fühlen, nutzlos. Aber mit dem Grundeinkommen hat das nichts zu tun.

Wie vermitteln?

Je nach Fall, je nach Begehren der anderen Frau. Mit diesen Kategorien und selber denken fallen uns konkrete Antworten ein. Mann kann Feminismus nicht lehren, sondern ansteckend sein.

Eine dieser falschen Alternativen ist eben derzeit die Debatte um: Entweder pflegen wir weibliche Werte und Tugenden oder wir passen uns dem Mainstream an.

Satz Kultur schaffen:

»Wir Frauen sprechen zu Männern so, dass unser Frau-Sein sichtbar ist und ihnen zugleich deutlich (verständlich) wird, dass wir über die ganze Welt sprechen und nicht nur über unseren abgegrenzten Bereich, und dass sie das interessieren müsste, sofern sie politisch interessiert sind.

Wenn Männer sprechen, sind wir wachsam und überlegen, ob sie über die ganze Welt sprechen oder nur über ihren abgegrenzten Bereich. Ein Kriterium könnte sein, ob es uns interessiert, was sie sagen. Dabei ziehen wir die Möglichkeit in Betracht, dass auch unser eigenes Denken noch patriarchal »verseucht« sein könnte.«

Vortrag zum Wochenende »Frauen teilen die Welt anders« am 28./29. April 2007 im Frauenzentrum Mainz.